Labyrinth

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Keyword: Labyrinth

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Definition: Ein Labyrinth (lat. labyrinthus; griech. labýrinthosã = Haus mit Irrgängen ist eine, oft als Teil eines Parks oder Gartens, gestaltete Anlage, deren verschlungene, zu einem Punkt in der Mitte der Anlage führende Wege von hohen Hecken gesäumt sind, sodass man sich darin verirren kann.

Ausweglose, verworrene Situationen werden oft auch als labyrinthisch beschrieben.

Information: Spiralen und Mäander gehen dem Labyrinth kultur- und entwicklungsgeschichtlich voran. Spiralförmige Strukturen lassen sich viele in der Natur finden, wie z. B. im Gehäuse der Schnecken, bei Farnen, in Wasser- und Luftwirbeln, im Spiralnebel, in den Gehirnwindungen, in der embryonalen Haltung des Säuglings. Der als Gehörorgan und Gleichgewichtsorgan fungierende innere Teil des Ohrs beim Menschen u. bei Wirbeltieren wird auch Labyrinth genannt.

Aus der Zeit um 1200 v. Chr. stammen zwei Labyrinthfragmente aus dem europäischen Raum; eines fand sich auf einem syrischen Tongefäß und ein weiters aus dem um 1200 v. Chr. verbrannten Königspalast in Pylos.

Das Labyrinth auf den unübersichtlichen Palast des Königs Minos in Knossos zurückzuführen wird mittlerweile grundsätzlich als falsch anerkannt. Der Mythos um den Stiermenschen Minothaurus lässt sich als Matrix auf das Labyrinth übertragen, weist jedoch keinerlei kulturhistorisch gesicherte Relevanz auf. Die Bezeichnung „kretisches“ Labyrinth ist insofern auch irreführend. Nicht zuletzt auch, weil es sich als Symbol kulturübergreifend gezeigt hat. Angemessener wäre vom Ur-Labyrinth zu sprechen.

Am ehesten lässt sich das Labyrinth mit dem Kranichtanz des siegreichen Theseus und seines Gefolges assoziieren, den sie nach der Flucht aus Kreta auf Delos zur Feier des Sieges tanzten. Einer der bekanntesten Labyrinthforscher, Hermann Kern, geht davon aus, dass der Ursprung des Labyrinthes im Tanz liegt: in kultischen Reigentänzen, deren Schrittfolge und Raumwege den Labyrinthweg nachempfinden.

Das Christentum hat Mythos um den Helden Theseus mit Christus, als dem Befreier und Erlöser, ersetzt. Ab 324 entstanden erste Kirchenlabyrinthe, deren berühmtestes das ca. 1210 entstandene gotische Labyrinth der Kathedrale von Chartres ist.

Die Hopi kennen das Labyrinth als Mutter-Erde-Symbol. Zu vermuten ist, dass das Labyrinth von Indien her eingeführt wurde, wo das Labyrinth schon ab ca. 300 v. Chr. bekannt ist. Was wiederum möglicherweise auf Alexander den Großen zurückzuführen sein könnte.

Einem Labyrinth im eigentlichen Sinn liegen folgende Formprinzipien zugrunde: eine äußere Begrenzungslinie, die nur eine Öffnung besitzt; der Weg ist kreuzungsfrei, d. h. er bietet keine Wahlmöglichkeit, wechselt immer wieder die Richtung, zwingt zum Sichtwechsel; der vorgegebene Weg führt nicht auf kürzestem Wege zum Ziel, sondern nimmt den maximalen Umweg auf, bietet dafür die größtmögliche Wegerfahrung; der direkteste Weg ist nicht immer der kürzeste; der Weg führt wiederholt nah am Zentrum vorbei, entfernt sich scheinbar vom Ziel und mündet schließlich ausweglos und unausweichlich in ein Zentrum, das nicht immer dem geometrischen Zentrum entspricht; in der Mitte angekommen, muss umgekehrt werden, die (bewusste) Richtung geändert werden. Es gibt keinen anderen Ausweg als den Hinweg, als Rückweg jedoch mit Ausrichtung nach Außen. Ein Labyrinth kann gedanklich oder körperlich zwischen den Linien abgeschritten werden.

Interpretation: Mit seiner (Weg-) Struktur setzt das Labyrinth Grenzen. Nur das Wahren der Grenzen führt zum Ziel. Die vorgegebene Struktur bindet an den Weg, hält auf dem „rechten Weg“, verhindert, abbiegen oder den Weg abkürzen zu wollen. Das Labyrinth „verführt“ zu Umwegen. Nicht der geradlinige Weg führt zur Erfahrung seiner Selbst in der Mitte, sondern der Umweg.

Wer die Grenzen überschreitet verliert die Orientierung. Bei aller Einengung des Vorgegebenen verleiht die Grenze auch Schutz. Die Erfahrungen auf dem Weg haben den Charakter von Unausweichlichem, von Schicksalhaftem. Es gibt keine Hindernisse, sonder nur Richtungswechsel, die zu einem Perspektivenwechsel auffordern. Die Windungen des Labyrinthes regen an, unterwegs zu sein, sich zu orten, sich von den Wendungen des Weges inspirieren zu lassen, sich innerlich zu wandeln.

Das Betreten des Labyrinthes kommt einem Überschreiten einer Schwelle gleich. Das Außen wird zurückgelassen, ein ausgefüllter Innenraum wird auf dem Weg zur Mitte durchschritten. Der labyrinthische Weg harmonisiert Innen- und Außenwelt. Das Erleben der Mitte wird über die gleiche Schwelle wieder nach Außen getragen, soll dort realisiert werden.

Das Labyrinth kann als archetypisches Bild des Individuationsweges verstanden werden, als Initiationsweg, als Ort von Übergangsriten wie u. a. Tod und Wiedergeburt. Das Labyrinth ist ein Erkenntnis- und Reifungsweg.

Literatur: Standard

Autor: Hammerstein, Günter