Clown

Aus symbolonline.eu
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Clown

Links: Humor, Kind, Narr, Schatten, Trickster

Definition: Spaßmacher im Zirkus, auf der Bühne oder schrille Außenseiterfigur, die kollektive Werte auf den Kopf stellt (wie z. B. in H. Bölls Roman: "Ansichten eines Clowns" 1963) und meist mit der gesellschaftlichen Rolle des sozial Untergeordneten identifiziert ist. Etym. stammt "Clown" aus dem Engl., bedeutet "Tölpel, Rüpel, Spaßmacher", kann jedoch auch aus dem Franz."colon" und lat."colonus" für "Bauer, Landmann" abgeleitet werden.

Information: Der Clown in seiner Rolle als Gegenteiler ist auch in religiösen Mythen von Stammesgesellschaften nordamerikanischer Indianer und im Buddhismus zu finden. Im spätmittelalterl. England wurde Clown in der Alltagssprache für "Dorftrottel" oder "Bauerntrampel" verwandt, ab dem 16. Jahrh. wurden mit Clown die komischen Bühnengestalten (u. a. bei Shakespeare) bezeichnet. Der europäische Festlandclown hat sich vermutlich aus den mittelalterlichen Gauklern und Hofnarren, dem Hanswurst von Brants Narrenschiff, später dem Arlecchino (Harlekin) der ital. Commedia dell Arte, dem Gracioso des span. Kommödie und dem Pierrot der franz. Pantomime heraus entwickelt. Aus Sicht der Analytischen Psychologie ist das Clownsmotiv mit dem Motiv des Narren verwandt. Narrheit und Weisheit liegen bei ihm nahe zusammen, jedoch mit einer stärkeren Gewichtung der ursprünglichen, unverbildeten Weisheit des Kindes.

Im Zirkus (seit ca. 1830) bilden Clownsnummern einen nicht wegzudenkenden Bestandteil des Programms. Es entwickelten sich zwei polare Clownstypen heraus: Im dummen August (Kennzeichen rote Nase und übergroßer Anzug) tritt uns das spontan spielende Kind gegenüber, das sich die Fähigkeit des Staunens bewahrt hat und voller Neugier ist, mehr naiv als dumm. Als ewiges Kind hat er sich die Freude an Oralem und Analem bewahrt, jedoch nie ambivalenz- oder konfliktfrei. Ständig ist er vor die Bewältigung der kleinen oder großen Herausforderungen seines Lebens gestellt und scheint an der "Tücke des Objektes" schier zu scheitern, er gibt jedoch niemals auf. Sein Gegenspieler ist der "Weißclown", der im Pailettenkostüm, spitzem Hut und mit weiß geschminktem Gesicht Aspekte von Eitelkeit, Besserwisserei, Humorlosigkeit aber auch narzisstische Selbstgefälligkeit verkörpert und die Anführerrolle übernimmt. Seine weiße Gesichtsmaske steht vermutlich im Zusammenhang mit mittelalterlichen Mysterienspielen, in denen die Seelen von Verstorbenen dargestellt wurden.

Die Zirkusgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrh. wurde maßgeblich von den großen Clowns Grock, Rivel und Popow geprägt. Brecht hat sich in einigen seiner Schauspiele vom clownesken Spiel anregen lassen, wobei er Chaplin und Karl Valentin zu seinen Lehrern zählte. Während die gesamte Stummfilmära und die Anfänge des Tonfilms die Entwicklung clownesker Gestalten begünstigte, sind die modernen Medien nicht geeignet, das Clownsspiel, dessen wichtiges Prinzip es ist, unmittelbare Erfahrung und direkten Kontakt zwischen Zuschauer und Spieler zu ermöglichen, in die einzelnen Haushalte zu bringen. Die Figur des Clowns wird in unserer Mediengesellschaft, in der Buntes, Schrilles und Geschmackloses zur Gewohnheit geworden ist, vermarktet, Sinn entleert, zur bloßen Maske für Spaßig/Schrilles oder Melancholisches und erfährt einen Werteverfall.

Fellini stellte in seinem Film "I Clowns" (1970) das gesellschaftliche Ableben des Clownss dar, aber auch dessen unvergängliche Faszination. Wie als Gegenbewegung wurde Mitte der 70er Jahre durch die "Festivals of Fools" das Motiv des Clowns mit seinen archetypischen Aspekten von vielen freien Theatergruppen, Soloclowns und Theaterschulen wieder entdeckt und auf Kleinkunstbühnen oder dem Straßenpflaster in der Tradition von Gauklern und fahrenden Komödianten zur Aufführung gebracht, wie auch zum Thema in Selbsterfahrungsgruppen.

Interpretation: Die Gestalt des Clown kann aufgrund seiner Nähe zum Archetyp des Kindes als Träger von Selbstaspekten und Ganzheitspotential verstanden werden, wie auch als kollektive Schattenfigur, eine Summierung aller individuellen inferioren Charaktereigenschaften, was natürlich auch seine große Faszination auf Kinder erklärt. Wie auch beim Narr ist das hinter dem Clown motiv stehende archetypische Muster das des Tricksters. Fellini hat die Beziehung zwischen August und Weißclown als Spiegel der Familie aus Sicht des Kindes gesehen: "Der weiße Clown und der August- es sind Lehrerin und Kind, Mutter und Lausbub, man könnte auch sagen der Engel mit dem feurigen Schwert und der Sünder. [...] Es ist der Kampf zwischen dem stolzen Kult der Vernunft. [...] und dem Instinkt, der Freiheit des Triebes" (Fellini 1974, S. 158)

August und Weißclown werden auch als komplementäre Aspekte einer Persönlichkeit interpretiert, wobei dem August die Trieb- und Instinktseite/Es zugeschrieben wird, während der Weißclown als Aspekte des Über-Ich angesehen werden kann. So kollidieren im komischen Paar Es-Impulse mit Über-Ich-Anforderungen, wobei der Zuschauer in der Identifikation den Part des vakanten Ichs übernehmen darf, der aber aufgrund seiner Zuschauerrolle nicht wirklich verzweifeln muss, sondern über Lachen seine Spannung abreagieren darf.

In analytischen Kinderpsychotherapien spielt die Beschäftigung mit dem Motiv des Clowns (dummer August) eine große Rolle, wenn es um die Auseinandersetzung mit dem Schatten geht und prospektiv um die Entdeckung des eigenen innerseelischen Potenzials. Clown werden gemalt, getont und vor allem gespielt: Kinder verkleiden sich sehr gerne mit zu großen Erwachsenenkleidern, u. a. um die eigene Ohnmacht zu kompensieren und die Welt aus einer machtvolleren Perspektive zu erleben, oder mit treffender Beobachtungsgabe das Gehabe der Erwachsenen nachzuahmen.

Auf ein 8-jährige Mädchen mit angstneurotischer Symptomatik übte die "rote Nase" verbunden mit entsprechender Verkleidung über Stunden eine ungeheure Anziehungskraft aus, da sie sich so die Erlaubnis geben konnte, als Clownin "freche Sachen" anzustellen und mit ebenfalls als Clowns verkleideten Plüschfiguren zu erproben und "vorzuspielen", während die Therapeutin die Rolle der Zuschauer einnehmen und die Vorführungen der Cloens bewundern, anfeuern und beklatschen durfte.

Literatur: Standard, Kramer 1982

Autor: Kuptz-Klimpel, Annette