Lebensbaum

Aus symbolonline.eu
Version vom 1. Dezember 2011, 18:31 Uhr von de>Hermes
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Lebensbaum

Links: Baum, Bios-Prinzip, Kabbala, Kreuz

Definition: Botanisch gesehen ist der Lebensbaum ein nach seinen immergrünen Nadeln benannter, zu den Zypressen gehörender immergrüner Baum mit abgeflachten Zweigen u. schuppenförmigen kleinen Blättern, die dachziegelartig angeordnet sind; Thuja. Religiös und volkskundlich symbolisiert er den allgemeinen Wachstumsprozess des (ewigen) Lebens bzw. das Leben seLebensbaumst.

Information: Der Baum des Lebens ist ein kollektives Ursymbol und findet sich in vielen religiösen Schriften, in Tempeln und Kultstätten bereits in der Zeit des Matriarchats. In Assyrien und Babylonien wird der Lebensbaum oft auf Rollsiegeln dargestellt. Der Bezug zum Matriarchat wird ersichtlich durch die sogenannten Mondbäume, indem in der Krone des Lebensbaum die Mondsichel abgebildet wurde.

Interpretation: In der biblischen Überlieferung wird berichtet, dass im Garten Eden der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen stand, sowie mitten im Garten des Lebens (Gen. 2, 9). Nach dem göttlichen Gebot sollten die Menschen nicht vom Baum der Erkenntnis und vom Baum des Lebensbaum essen, weil sie dann sterben müssten (Gen. 3, 3). Eine positive Bedeutung haben die Lebensbaum im letzten Kapitel der Offenbarung des Johannes. Sie stehen an den Ufern des Stromes mit dem Wasser des Lebens und tragen jeden Monat Früchte und die Blätter der Lebensbaum dienen zur Heilung der Völker (Apk. 22, 2). Diese Bedeutung des Lebensbaum wird im Christentum mit der Symbolik des Kreuzes verbunden, an dem Christus zum Heil der Menschheit starb. In vielen alten Darstellungen wird Christus nicht mit dem traditionellen Kreuz abgebildet, sondern im Lebensbaum, um die genannten Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen.

Neben der biblischen Symbolik hat die jüdische Mystik ab dem 12. Jh. in Spanien und Südfrankreich mit dem kabbalistischen Lebensbaum eine vielgestaltige Symbolik entfaltet. Das Hauptwerk jener spirituellen Gedanken ist "der Sohar", das heilige Buch der Kabbala, ein mystischer Kommentar über die Wirkmächtigkeit der göttlichen Kräfte in der Schöpfung, wie sie im zehngliedrigen Sefirot-Baum in Erscheinung tritt. Die hebräischen Namen der zehn Wirkkräfte Gottes sind aus dem Dankgebet des Königs David entnommen, das anlässlich der Tempelweihe gesprochen wurde (1. Chronik 29, 11 ff.).

Die Symbolik des Tempels dürfte dazu geführt haben, dass später die Württembergische Prinzessin Antonia (1613-1679) in der berühmten kabbalistischen Lehrtafel in der evangelischen Kirche von Bad Teinach diese übernahm und mit vielen biblischen Motiven anreicherte. Antonia ist eine der ersten emanzipierten Frauen, die hebräisch studierte und zur Verbreitung der christlichen Kabbala beitrug. Wichtige Vertreter der christlichen Kabbala sind Johannes Reuchlin (1455-1522), Jakob Böhme (1575-1624) und Christian Knorr von Rosenroth (1636-1689), der in dem bekannten Kirchenlied: "Morgenglanz der Ewigkeit" im Bereich der christlichen Frömmigkeit wesentliche Aspekte der mystischen Kabbala zum Ausdruck brachte.

In Mythen und Märchen wird der Lebensbaum als Weltenbaum dargestellt, der das Diesseits und Jenseits, die sichtbare mit der unsichtbaren Welt verbindet. Der heilige Baum der Germanen war die immergrüne Weltesche Yggdrasil. Seine Zweige breiteten sich nach germanischen Vorstellungen über Himmel und Erde aus und aus seinen Wurzeln entsprangen drei Quellen, welche die Welt mit den nötigen Lebensenergien speiste.

Eine symbol-psychologische Deutung des kabbalistischen Lebensbaumes zur Selbsterkenntnis und Lebensbaumerfahrung findet sich bei Hark: "Heilkräfte im Lebensbaum". Im Sinne der tiefenpsychologischen Hermeneutik (Auslegung und Deutung von Texten und Märchen) deutet er die zehn Offenbarungen und Abglänze Gottes und ihre Wirkkräfte auf der Subjektstufe (nach C. G. Jung) als Erscheinungen von unbewussten Inhalten im persönlichen Erfahrungshorizont, ohne jedoch die transzendente Wirklichkeit in totale Subjektivität aufzulösen. Ähnlich wie die mittelalterliche Alchimie verschiedene Stadien der Entwicklung ihres Stoffes benannte, die C. G. Jung als Bewusstwerdungsprozess deutete, so stellt der kabbalistische Lebensbaum zehn Symbolfelder der geistigen und seelischen Entwicklung des Menschen zu seiner Ganzwerdung dar. Wenn in den Träumen ein Lebensbaum erscheint und durch Imaginationen verinnerlicht wird, wirkt dies heilend, weil das begrenzte Ich-Bewusstsein mit seinen Funktionen des Denkens und Fühlens, der sinnlichen Empfindungen und der Intuition mit einem größeren Ganzen verbunden wird.

Literatur: Standard

Autor: Hark, Helmut