Kuss

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Keyword: Kuss

Links: Coniunctio, Eros-Prinzip, Mund, Sexualität

Definition: Ein Kuss ist eine (zärtliche, feste, leidenschaftliche ...) drückende Berührung eines "Objektes" (Mensch, Tier, Gegenstand) mit den (leicht gespitzten, leicht geöffneten ...) Lippen.

Information: Die Fähigkeit, durch das Spitzen der Lippen Intimität auszudrücken, besteht schon bei den Schimpansen, wie bereits Darwin feststellte. Inwieweit das Vorkauen der Speise durch die Mutter und Fütterung des Babys ein biologischer Vorläufer des Kusses ist, ist nicht gesichert. Bis ins 19. Jhdt. war das Vorkauen der Speisen und die küssende Verabreichung an das Kind jedoch in Österreich und Deutschland üblich. Im Sanskrit heißt "cusati": er saugt. In den Frühzeiten der Menschheitsgeschichte stellte der Kuss eine Ehrerbietung und Huldigung der Götter dar. Geküsst wird überall hin. Auf den Mund, die Wange, den Kopf, den Nacken, die Hand, das Knie, die Genitalien, auf den Boden, auf Gegenstände. In Griechenland gab es den Kuss auf die Brust als Zeichen der Ehrerbietung. Im alten Rom wurden 3 Arten des Küssens unterschieden: osculum - der freundschaftliche Kuss auf die Wange, suavium - der zarte Kuss auf die Lippen, basium - der innige Kuss von Liebenden. Das Spektrum der Bewertung des Kusses reicht von Ablehnung etwa bei Augustinus, der das Küssen als Sünde bezeichnete, bis zur höchsten erfüllenden Intensität im Kuss der Liebenden. Kuss-Motive finden sich zahllos in der Kunst, etwa in dem Gemälde "Der Kuss" von Gustav Klimt oder in ungezählten Gedichten.

Interpretation: Es bestehen kulturell recht unterschiedliche Bedeutungen des Kusses: Austausch und Ausdruck von Intimität, Liebe, Glück: der Kuss der Liebenden, der Zungenkuss. Wandlung: der Frosch im Froschkönig braucht den Kuss um in seine Prinzengestalt zu finden; Dornröschen wird aus ihrem Schlaf im Unbewussten durch den Kuss des Königssohns erlöst. Linderung: die Mutter küsst die verletzte Wunde des Kindes um den Schmerz zu verringern, Trost zu spenden und ihre Zuneigung zu zeigen. Brot, das auf die Erde gefallen ist, wird zur Linderung der Beschmutzung und Reinigung geküsst. Begrüßung und Verabschiedung: der spanische beso und französische bise wird mit einer Umarmung auf die Wange geküsst, mit unterschiedlicher Intensität je nach dem Grad der Verbundenheit. Bei den Eskimos gibt es den Nasenkuss. Der angedeutete Kuss findet sich auch im Pustekuss, der über die offene Handfläche dem Anderen zugepustet wird (Kusshand). Im angedeuteten Kuss findet sich der Aspekt der Seelenverwandtschaft, der Austausch der Hauchseelen, der sich schon bei altmexikanischen Göttern findet. Zeichen der Zugehörigkeit: Der Verlobungs- und Hochzeitskuss ist als Bekräftigungs-Symbol für die Vereinigung und Bindung des Paares sowie als Fruchtbarkeitsritus zu verstehen. Mafiaangehörige küssen und umarmen sich innerhalb ihrer Gruppe. Der Kuss unter einem Mistelzweig soll Fruchtbarkeit, Lebenskraft und Verbindung symbolisieren. Erkennungszeichen: der Verrat des Judas Iskarioth lieferte Jesus an die Juden aus und wird heute noch als Judaskuss bezeichnet. Hierzu gehören auch politische Küsse wie der sozialistische Bruderkuss. Ehrerbietung und Verehrung: der Handkuss, das Küssen von repräsentativen Symbolen wie dem Boden, dem Ring, dem Zepter. Der Priester küsst den Altar. Todeskuss in seiner Doppelbedeutung: das Küssen eines Sterbenden begleitet ihn in die Welt der Toten, oder der Todeskuss weist magische Qualitäten auf, wenn der Kuss scheinbar den Tod eines Menschen auslöst. Übertragene und ironisierende Bedeutungen finden sich im Negerkuss für die bekannte Süßware Mohrenkopf oder im Pferdekuss als Bezeichnung für einen heftigen Stoß gegen den Oberschenkel oder in den Hintern.

Literatur: Standard

Autor: Leibig, Bernd