Sinn

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Keyword: Sinn

Links: Individuation, Logos-Prinzip, Symbol

Definition: Unter Sinn (mhd., ahd. sin, eigtl. Gang, Reise, Weg) wird verschiedenes verstanden: die Sinnesorgane, Interessens- und Bedürfnislagen, Denkprozesse ("Er hatte nur eins im Sinn"), der Bedeutungsgehalt, Zweck, Wert einer Sache ("Sinn des Lebens") usw.

Information: Sinn und Symbol bedingen sich gegenseitig, sie sind genau genommen zwei Seiten eines umfassenden Phänomens. Jedem Symbol wird ein mehr oder weniger spezifischer Sinn zugeordnet, dieser Sinn ergibt sich aus dem kulturellen Kontext des Symbols. Nur unter der Annahme eines Sinnes können wir ein Symbol verstehen. Es wird über den Sinn dem Erleben zugänglich, ein Symbol ohne Sinn ist undenkbar, es ist ein leerer Begriff. Es ist schwer zu entscheiden, welchem der beiden Begriffe, Symbol oder Sinn, die umfassendere Bedeutung zukommt. C. G. Jung hat sich in seinem Gesamtwerk immer wieder mit dem Sinn-Thema beschäftigt. Er sieht das Kernproblem einer Neurose als "ein Leiden der Seele, die ihren Sinn nicht gefunden hat". (GW 11, § 497). In der Praxis der Psychotherapie ist die Lebensbedeutung Sinnfrage immer gegenwärtig. Kann ein Mensch in seinem Leben oder in seinem Handeln keinen Sinn mehr sehen, steht er vor dem Abgrund der Verzweiflung. Die Sinn-Frage weist weit über das persönliche Leben hinaus und ist insofern einem umfassenden Symbol gleichzusetzen."Die Welt, in die wir hineingeboren werden, ist roh und grausam und zugleich von göttlicher Schönheit. Es ist Temperamentssache zu glauben, was überwiegt: die Sinnlosigkeit oder der Sinn. Wenn die Sinnlosigkeit absolut überwöge, würde mit höherer Entwicklung die Sinnerfülltheit des Lebens in zunehmendem Maße verschwinden. Aber das ist nicht - oder scheint mir - nicht der Fall. Wahrscheinlich ist, wie bei allen metaphysischen Fragen, beides wahr, das Leben ist Sinn und Unsinn, oder es hat Sinn und Unsinn. Ich habe die ängstliche Hoffnung, der Sinn werde überwiegen und die Schlacht gewinnen". (Jung, Jaffé, A., Hg., 1962, S. 360)

Interpretation: Die Sinn-Frage wird zu einem Thema von weltumspannender Dimension. So gesehen ist "Sinn" als ein lebenserhaltendes und ermöglichendes Symbol anzusehen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum Richard Wilhelm in seiner Übersetzung des Tao Te King den Begriff des Tao durchgängig mit Sinn übersetzt. Es sind viele Übersetzungen vorgeschlagen worden, doch ist damit etwas Unsagbares bezeichnet. Es ergibt sich wieder die komplexe Verbindung zwischen Wort und Inhalt, auch für das Unsagbare muss, wenn es vermittelt werden soll, ein Wort oder ein Bild gefunden werden, allerdings in dem Bewusstsein, dass damit etwas Unmögliches möglich gemacht werden soll.

Das Tao ist das allumfassende letzte Prinzip, das schon vor Himmel und Erde existierte, eigentlich unnennbar und unbeschreibbar ist. Es ist die Mutter aller Dinge, es lässt alles aus sich entstehen und handelt doch nicht selbst. Prägnanter und besser kann man den Gehalt eines Symbols nicht mehr beschreiben. Ob als umfassendes kosmisches Symbol oder als Traumsymbol im persönlichen Leben, immer bleibt letztlich etwas Unsagbares das entscheidende Moment, was ja noch nicht heißt, dass es vom Erleben nicht über die Intuition `verstanden´ und für die persönliche Lebensführung entschlüsselt werden kann. Am besten trifft der Ausdruck "das symbolische Leben", mit dem Jung einen Seminarvortrag vom 5. April 1939 in London überschrieb, diesen Sachverhalt."Der Mensch braucht nämlich ein symbolisches Leben. Er braucht es dringend. Wir erleben nur banale, gewöhnliche oder irrationale Dinge [...] Aber wir haben kein symbolisches Leben. [...] Nur das symbolische Leben kann den Bedürfnissen der Seele Ausdruck verleihen - den täglichen Bedürfnissen der Seele, wohlgemerkt! Und da die Leute nichts dergleichen besitzen, können sie nie aus dieser Tretmühle herauskommen - aus diesem schrecklichen, zermürbenden, banalen Leben, wo sie "nichts als" sind. Im Ritual sind sie der Gottheit nahe; sie sind sogar göttlich." (Jung, GW 18/1, § 625, 627).

Wichtig ist hier die Beziehung zur Alltagssituation, es unterstreicht noch einmal die Bedeutung der Symbolarbeit in der Psychotherapie. Die Auseinandersetzung mit den Botschaften des Unbewussten, die in jeder Nacht oder auch in Fantasien am Tage und in Bildern dem Ich in symbolischer Form zugespielt werden, ist eine lebenserhaltende und immer wieder im notwendigen Maße korrigierende und kompensierende Funktion der Psyche. Die Verbindung von Sinn und Symbol ließe sich am besten in dem Konzept eines symbolischen Lebens zusammenfassen."Das gibt inneren Frieden, wenn Menschen das Gefühl haben, dass sie das symbolische Leben führen, dass sie Schauspieler im göttlichen Drama sind. Das ist das einzige, was dem menschlichen Leben einen Sinn verleiht; alles andere ist banal, und man kann es beiseite lassen." (Jung, C. G., 1981, § 630).

Psychotherapien werden in der Regel aus einem Leidensdruck heraus begonnen. Es gibt Beschwerden der verschiedensten Art. Seelische - wie Ängste, Depressionen, Zwänge - und körperliche - wie Atembeschwerden, Herz- und Magenschmerzen, Schlafstörungen und viele andere mehr. Immer jedoch, gleichgültig welcher Art das berichtete Leid ein mag, stehen schnell Fragen im Vordergrund, wie: "Wer bin ich?" - "Was will ich?" - "Was soll ich?" Dieses "Was soll ich?" ist zu verstehen als Frage nach der Lebensaufgabe, nach dem Sinn des Lebens."Die alltägliche Vernunft, der gesunde Menschenverstand, die Wissenschaft als konzentrierter common sense, reichen gewiß eine ganze Strecke weit, aber doch nie weiter als die Grenzpfähle der allerbanalsten Wirklichkeit und der durchschnittlichen Normalmenschlichkeit. Sie geben im Grunde keine Antwort auf die Frage des seelischen Leidens und dessen tiefster Bedeutung. Die Psychoneurose ist im letzten Verstande ein Leiden der Seele, die ihren Sinn nicht gefunden hat." (Jung, C. G., 1981, § 497).

Sinn und Symbol sind gemeinsam der Weg zum Frieden. Es lässt sich wechselseitig formulieren: das Symbol ist der Weg zum Sinn und der Sinn öffnet den Zugang zum Symbol. Beide sind sehr eng mit der Chance eines gelingenden Lebens verbunden. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen könnte man den Sinn einer Analyse wie auch einer Psychotherapie als Hinführung zu einem symbolischen Leben definieren. Das dürfte sowohl der Würde wie der Dynamik der Psyche gerecht werden.

Literatur: Standard

Autor: Seifert, Theodor