Hecht

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Keyword: Hecht

Links: Aggression, Fisch, Fluss, Hai, Krokodil, Wasser

Definition: Raubfisch (im Süßwasser) mit lang gestrecktem, auf dem Rücken dunkel olivgrün bis graugrün, auf der Bauchseite weißlich gefärbtem Körper, schnabelartig abgeflachtem Maul u. starken Zähnen.

Information: Keine

Interpretation: Einen "Hecht im Karpfenteich" nannte 1850 der deutsche Politiker Heinrich Leo (1799-1878) den französischen Kaiser Napoleon III. Der Reichstagskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) griff dieses Bild in seiner Reichstagsrede vom 6. Februar 1888 auf. Daraufhin wurde es Allgemeingut. Es zeigt hemmungslose Aggressivität unter harmlosen, friedliebenden Geschöpfen; es entspricht dem Bild vom Wolf unter den Schafen. Allerdings steht der bis 1, 40 m lange Hecht (auch "Wasserwolf" genannt) dem Menschen ferner als dieser. Denn als Fisch lebte er bereits im Erdaltertum, während Wolf und Mensch erst in der Erdneuzeit entstanden. Das Maul des Hecht ist versehen mit mehreren Reihen von unheimlich scharfen Zähnen: Aggression in Reinkultur! Der Hecht ist ein guter Jäger; er ortet seine Beute spielend dank seinem gut entwickelten Riechhirn und schnappt sie sicher mit Behändigkeit und Kraft. In gemäßigten Breiten ist er auf der ganzen nördlichen Halbkugel verbreitet. Das Wort Hecht kommt von mhd. hecken: stechen. Der Hecht verdankt seinen Namen dem scharfen Gebiss.

Die Tiefenpsychologie sieht im Hecht vor allem ein Symbol von Aggressionen, die sich in tiefen, dem Bewusstsein kaum zugänglichen psychischen Schichten befinden. Der Wolf steht dem Menschen einige hundert Millionen Jahre näher als der Hecht. Wer von einem aggressiven Hecht träumt, hat in der Regel tief abgespaltene Aggressionen. Wer hingegen von einem aggressiven Wolf träumt, hat eher Zugang zur Aggression und lernt leichter, bewusst und verantwortlich damit umzugehen. Von außen erscheint jemand mit Hecht-Aggressionen lammfromm; auch der Betreffende selber ahnt nichts von seinem wilden Potential in unzugänglichen Tiefen. Doch der Schein trügt: Der Hecht ist eben trotzdem da: Alles Verdrängte kehrt wieder! Zudem verroht es im Exil, und wenn es zurückkommt, schockiert es die Umgebung. Dies hat zur Folge, dass der Hecht-Komplex nach dem Ausbruch reuevoll sogleich verdrängt und dass wieder eine nette Persona aufgesetzt wird - bis zum nächsten katastrophalen Intermezzo…

So unheimlich das Symbol des Hechts ist: In Märchen tritt der Hecht oft als Helfer in der Not auf, stets als Dank dafür, dass er verschont wurde. Das bedeutet, dass es ratsam ist, den Hecht in sich vor lauter gut gemeinter Zivilisation nicht ganz auszurotten. Denn in der Not wird er helfen, die Zähne zu zeigen: wer das nicht kann, ist verloren. Im Märchen Das Kind mit dem goldenen Apfel verschont der dumme Michel einen Hecht, dafür hilft ihm dieser. Auf seinem Heldenweg muss er zunächst auf eine ferne Insel umziehen, wo er seine exotischen Hecht-Phantasien kennen lernt (er muss in sich gehen). Nach einer Weile baut ihm der Hecht eine Brücke zurück; Michel gewinnt wieder festen Boden unter die Füße. Nachdem er seine Aggressionen integriert hat, erhält er, als abgerundete Persönlichkeit, Prinzessin und Königreich. Auch im Märchen Die Zarentochter Frosch baut der Hecht dem Helden, der den Frosch heiratet (die Sexualität integriert), eine solche Brücke, diesmal über silbernen Pfählen, mit goldenem Geländer und einem Boden aus spiegelndem Glas! So findet der jüngste der vier Zarensöhne wieder zurück in die Welt und wird selber Zar, eine Manapersönlichkeit. Der Hecht soll nicht verdrängt, sondern integriert werden. Kampf lässt sich oft nicht vermeiden; aber man kann lernen, ihn fair zu führen. Dabei hilft der Hecht.

Literatur: Standard

Autor: Kaufmann, Rolf