Gift

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Keyword: Gift, Vergiften

Links: Schlange, Tod

Definition: In der Natur vorkommende oder künstlich hergestellte organische oder anorganische Stoffe, die nach Eindringen in den menschlichen oder tierischen Organismus zu einer Erkrankung (Vergiftung) mit vorübergehender Funktionsstörung, bleibendem Gesundheitsschaden oder zum Tode führen. Bei Tieren dient die Giftabsonderung dem Beuteerwerb und oder der Verteidigung. Giftdrüsen können an der Körperoberfläche verstreut liegen (bei Quallen, Korallen, Hautdrüsen der Kröten) oder mit Zahn- oder dornartigen Körperfortsätzen verbunden sein, z. B. Giftzähne der Giftschlangen, Giftstacheln der Skorpione, Bienen und giftige Flossenstrahlen mancher Fische.

Information: Giftmengen in geringer Dosierung können heilende Wirkung haben (Medizin). Gift ist also für einen Organismus immer das, was er nicht verträgt, psychologisch meist mit Schattenaspekten Verbundenes. So ist Gift eines der beliebtesten Zerstörungsmittel der Hexen und "Stief"-Mütter, wie auch ihrer Begleittiere, z. B. der Kröten, die im Gegensatz zum lichten, Lebensfördernden Mütterlichen das Urweibliche als dumpfe, dunkle, erdgebundene, zauberkundige, unheimliche und oft sogar zerstörende Macht verkörpern. Der negative Rauschtrank und das Gift – im Gegensatz zur Medizin - und alles, was zur Betäubung, Verzauberung, Ohnmacht und Auflösung führt, gehört zu diesem Bezirk der Verführung und Verlockung durch die "junge Hexe"", die als negative Anima-Aspekte verstanden werden kann.

Gift wurde /wird eher von Frauen zum Schaden anderer angewandt, da es von alters her eng im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelherstellung steht, und als Waffe der vermeintlich Schwächeren heimlich zerstört ("Giftmischerinnen" waren vor allem Frauen). In der Menschheitsgeschichte gehört die Herstellung von Essenzen der Gifte und der Medizin nach E. Neumann zu den sogenannten "Urmysterien des Weiblichen": "In allen derartigen Mysterien Formen, wie der Nahrungs- und Trankzubereitung, der Anfertigung der Kleider, der Gefäße, des Hauses usw. werden Naturdinge und von der Natur Gewandeltes durch den Eingriff des Menschen zu einer erhöhten Form der Wandlung gebracht." (Neumann, die große Mutter, 1956, S. 68) Es handelte sich nicht nur um ein technisches Geschehen, sondern um ein Mysterium, in dem geistige Aspekte eine wichtige Bedeutung hatten. So nennt Neumann eine Wandlungsreihe aus dem Naturreich der Pflanzen hin zu Essenzen der Gifte und der Medizin, bei der numinose Aspekte erlebt wurden, die über Jahrtausende meist von Priesterinnen und sakralen Figuren des Großen Weiblichen übermittelt und angewandt wurden. Durch die Einnahme solcher Stoffe wurden nicht nur körperliche Veränderungen erfahren, sondern sie wurden auch als überpersönliche, geistige Aspekte begriffen, die zum Teil auch ekstatische Erfahrungen mit sich brachten: "Krankheit und Vergiftung, Rausch und Heilung sind seelische Prozesse, die überall in der Menschheit auf ein unsichtbar bewegendes Geistprinzip bezogen werden, durch dessen Einwirkung die Persönlichkeit gewandelt wird." (Neumann, die große Mutter, 1956, S. 69)

Gift wurde auch als der gegensätzliche Aspekt des Lebenswassers verstanden, das in der Alchemie auch als tödliches Gift beschrieben wird. In der Alchemie entsteht das "lumen novum" aus dem Drachen, der seinen eigenen giftigen Schwanz frisst und daran stirbt, denn er ist Gift und doch Heiltrank. Das Gift der Giftschlangen (Schlange) kann sowohl in höherer Dosis tödlich sein, als auch in niedriger Dosierung heilend wirken. Giftschlangen werden deshalb in Kulturen, in denen Giftschlangen vorkommen, als numinose, transzendente Kräfte erlebt, gefürchtet und verehrt, die über Leben und Tod der Menschen entscheiden können.

Interpretation: Bildhaft hat sich das "Giftig und Vergiftet sein" in vielen Redewendungen niedergeschlagen: Wenn eine Beziehung (Atmosphäre) vergiftet ist, stehen viele aggressive Gefühle im Raum, die nicht ausgesprochen werden können."Voller Gift sein" oder "Gift und Galle (spucken)" bedeutet voller Zorn und Bösartigkeiten sein wie auch "Der/ die hat aber auch Gift!"."Jemanden das Gift nehmen", oder "Jemanden die Giftzähne ziehen", meint jemanden unschädlich zu machen oder zu besänftigen."Darauf kannst Du Gift nehmen" meint, dass man sich auf die Richtigkeit der Aussage verlassen kann.

Am meisten gefürchtet wird die Große Mutter, wenn sie sich, wie im Märchen "Schneewittchen" (KHM 53) von ihrer rein zerstörerischen, vergiftenden Seite zeigt, der lebensfeindlichen, vernichtenden Seite des mütterlichen Prinzips. Gerade die rote Seite des Apfels, die als das emotionale, das Verlockende und Erotisch- Lebendige verstanden werden kann, wurde von ihr vergiftet. Im Märchen "Das Rätsel" muss sich ein Königssohn zuerst vor dem Vergiften durch eine hexenhafte Alte retten, um dann als weitere Bewährungsprobe Rätsel einer Königstochter zu lösen, die er heiraten will.

Gift und Vergiften gehört zu den Manifestationen des negativen Pols des Archetyp des großen Weiblich- Mütterlichen, den "vergiftenden", Leben nehmenden, Unfrei machenden und Wachstum behindernden Aspekten des Mütterlichen personifiziert als Hexe, als giftiger Kröte, Schlange oder Drache. Im Gift herstellen können und heimlichen Einsetzen, liegt die Macht über Leben oder Tod des Mütterlichen in seinem negativen Aspekt. Vergiften kann bedeuten, dass das natürliche Wachstum und die Entwicklung gelähmt wird oder gesundheitliche Störungen auftreten bis hin zum Tod. Vergiften bedeutet aber auch eine nicht ohne weiteres durchschaubare, heimliche, indirekte Art der seelischen Zerstörung oder Behinderung, die ähnlich einer "Verhexung" unfrei macht und seelisches Wachstum einschränkt oder vernichtet. Psychologisch kann das Vergiftet werden in Träumen und symbolischen Darstellungen, mit einem negativen Mutterkomplex in Verbindung gebracht werden. Auch mit dem Begriff der Neurose (im Sinne Jungs verstanden als Ungleichgewicht zwischen dem Ich und einem oder mehreren Komplexen) kann ein Zusammenhang gesehen werden. Traum einer Jugendlichen, in dem der negative Mutterkomplex in die Darstellung kommt: "Ich bin auf einer Reise und werde von 2 Jugendlichen, einem Freund und einer Freundin begleitet. Eine alte Frau verfolgt uns mit dem Auto, während der Fahrt stehend hinter ihrem Chauffeur. Wir kommen in eine Gegend oberhalb des Meeres, unter uns eine grüne Landschaft, aber auch ein Abwasserkanal. Wir zelten dort. In der Nähe befindet sich ein Hallenbad, wo wir schwimmen gehen wollen. Dieses Hallenbad gehört der alten Frau, die sich als Hexe entpuppt. Während wir über sie reden, lässt sie einen Giftstrahl aus einer Wolke los. Ich kann mich und mein Gepäck ins Zelt retten, aber meine Freunde sind draußen ungeschützt. Meine Freundin klagt hinterher über roten Ausschlag und Juckreiz an den Händen."

Literatur: Standard

Autor: Kuptz-Klimpel, Annette