Dualismus, religiöser: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 29. November 2011, 10:01 Uhr

Keyword: Dualismus, religiöser

Links: Gottesbild, Jenseits, Polarität, Schatten, Zwei

Definition: Dualismus [zu lat. duo »zwei«] bezeichnet allgemein eine Zweiheit; Gegensätzlichkeit von zwei einander entgegengesetzten, unabhängigen Größen oder Prinzipien, die nicht voneinander ableitbar sind: z. B. Geist und Stoff, Leib und Seele. In der Tiefenpsychologie geht man hingegen vom Prinzip der Polarität aus, nach der sich jeweils um zwei Pole einer Sache handelt.

Information: Der religiöse Dualismus ist uralt, heute aber überholt. Im archaischen Weltbild bestand das Sein insgesamt aus der Zweiheit von Diesseits und Jenseits; die Alten dachten fundamental dual. Einige Kulturen waren sogar dual-dualistisch: Nicht nur das Weltganze, sondern auch das Jenseits war zweigeteilt; es beherbergte einen guten, von guten Geistern umgebenen Gott, aber auch einen diesem ebenbürtigen bösen Gott mit entsprechend üblem Gefolge, und die beiden Gottheiten hatten nichts miteinander zu schaffen. Besonders ausgeprägt war diese Vorstellung in der altiranischen Religion, wo dem guten Gott Ahura Mazda (Ohrmazd) sein potenter Gegner Ahriman gegenüberstand. Teilweise wurden das nachexilische Judentum, die urchristliche Bewegung (Antichrist) und die antike Gnosis (Mandäer und Manichäer) davon beeinflusst. Die monotheistischen Religionen hingegen (Judentum, Christentum Islam) glauben insgesamt, trotz gewisser dual-dualistischer Züge, an einen einzigen Gott, der die Welt ursprünglich gut erschaffen habe.

Die Kehrseite dieser Theorie ist das Theodizeeproblem: Es wird nicht plausibel, warum denn das Böse in der Welt derart mächtig sei. Mit der Entdeckung, dass das Jenseits auf Projektionen beruht, wird der Dualismus überwunden. Es gibt kein Jenseits mehr."On n'a plus besoin de cette hypothèse"; diese lapidare Feststellung des positivistischen Mathematikers, Astronomen und Philosophen P. S. Marquis de Laplace (1749-1827) gilt immer noch.

Interpretation: Der Teufel ist eine Projektion des kollektiven Schattens (des Konglomerats dessen, was nicht toleriert wird) und der gute Gott eine Projektion des kollektiven Ideals (der angeblich guten Seite der Psyche). Die Entdeckung, dass destruktive wie konstruktive psychische Kräfte von den Alten nach aussen projiziert wurden und so die metaphysischen Gefilde bevölkerten, überwindet den archaischen Dualismus Nach der Rücknahme der Projektion erscheint das Universum als Einheitswirklichkeit mit zwei Aspekten, einem materiellen und einem geistigen.

Dass die monotheistischen Religionen (trotz des unlösbaren Problems der Theodizee) an ihrem Glauben an einen einzigen Gott festhalten, ist der archaische Ausdruck einer gesunden Einstellung: Ihr einziger Gott ist ja das Abbild der einen, vielleicht zerstrittenen, aber dennoch einzigen Psyche! Die ewig verfeindeten Ahura Mazda und Ahriman hingegen symbolisieren zwei Teile einer zerrissenen Psyche, in der Hell und Dunkel voneinander abgespalten sind. Wie die Psychotherapie zeigt, können solche psychischen Abspaltungen psychische Störungen und Erkrankungen. Das Ziel der Psychotherapie ist es deshalb meist, solche Abspaltungen durch Integration zu überwinden. Allerdings gibt es traumatische (Trauma) Ereignisse, bei denen eine Abspaltung für eine zeitlang ein sinnvoller Abwehrmechanismus (Abwehr) sein kann.

Literatur: Standard, Kaufmann (1998), Kaufmann (2006)

Autor: Kaufmann, Rolf