Weltachse und Werk: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Weltachse
'''Keyword:''' Werk


'''Links:''' [[Achse]], [[Erde]]
'''Links:''' [[Alchemie]], [[opus]] magnum


'''Definition:''' Die Weltachse gehört zum Denken des archaischen Menschen. Sie ist Gegenstand der Religionswissenschaft und der Mythenforschung. Weltachse, heiliger Pfahl, Baum, Berg oder andere vertikale Strukturen als Verkörperungen der axis mundi werden dort errichtet oder erkannt, wo Heiliges sich gezeigt hat (Hierophanie).
'''Definition:''' Die Wurzel des Wortes „Werk“ liegt im gr. ergon und bedeutet „Werk, Tat, Handlung, Unternehmung, Wirkung; das durch Arbeit Hervorgebrachte, Kunstwerk“ (Benseler).


'''Information:''' Die Weltachse eröffnet kosmische Regionen, sie schafft Verbindung zu den Göttern der Ober- und Unterwelt. Rund um die Weltachse herum erstreckt sich die reale Welt, denn erst die geheiligte Welt ist real und kann zum profanen Raum des Chaos abgegrenzt werden. Erde, Himmel, Unterwelt und ihre Verbindung zueinander schaffen erst den Kosmos."Der Mensch der vormodernen Gesellschaften  [...]  weiß, dass sein Land wirklich in der Mitte der Erde liegt, dass seine Stadt den Nabel des Universums bildet, [...] , dass der Tempel oder der Palast wahre Zentren der Welt sind; aber er will darüber hinaus, dass sein eigenes Haus im Zentrum liege und eine imago mundi sei." (Eliade, Das Heilige und das Profane, S. 41)
'''Information:''' Das Werk ist Prozess und Resultat des ergonomai, des Arbeitens und Tätigseins. Das Werk macht wirklich, durch das Werk wird Verwirklichung real. Seine Spannweite reicht vom größten Heilswerk, vom „opus“ (lat. für „Werk“), opus dei oder opus divinum, aber auch dem alchemistischen oder dem des Künstlers, bis zum kleinsten Ergebnis irgend eines Tätigseins. „Werk“, „wirken“ und „Wirklichkeit“ stammen aus derselben Wurzel. Wirklichkeit entsteht aus kleinen und großen Werken. Nicht alle scheinen auf den ersten Blick wichtig, nicht alle sind sichtbar, trotzdem schaffen sie Realität.


Dabei stört sich der archaische Mensch nicht an der Vielzahl der Weltzentren, weil es sich nicht um ein geometrisches Raumverständnis handelt, sondern um den existentiell-heiligen Raum, der nur die Bedeutung hat, Verbindungen zur transzendenten Welt herzustellen. Nomadenstämme trugen bei ihren Wanderungen die Weltachse in Form eines Pfahles mit sich. Ein Relikt dieser Symbolik findet sich auch in der Errichtung des Kreuzes bei der christlichen Kolonisierung fremder Erdteile zu Beginn der Neuzeit. Hierophanie und Errichtung der Weltachse erschaffen gemeinsam die Welt, die vom Chaos umgeben ist.
'''Interpretation:''' Ein Werk ist ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Es ist ein vielfädiges Gewirk aus der Werkstatt des gestaltenden Wirkens, Verflechtens, Gestaltens, Konkretisierens, ist Schöpferischsein, ist schöpferisches Sein. Alle Inspiration bedarf des konkreten Werks zur Vollendung. Doch der gestaltende Werkprozess ist nicht nur aufbauend. „Solve et coagula“ lautet das Motto des Alchemisten, „trenne und verdichte“ (genauer: „löse, löse auf und lasse gerinnen, verfestigen“). Das Auflösen gehört genauso zum Werk wie das neu Zusammenbringen oder sich verdichten Lassen. Es ist ein Stirb- und Werde-Prozess.


'''Interpretation:''' In Mythen werden Himmel und Erde oft als Gleichnisse für die Eltern verwendet, wobei der Himmel meist das väterliche, die Erde das mütterliche Prinzip verkörpern. Für die Darstellung der Verbindung von Himmel und Erde, wie sie in den Schöpfungsmythen vorkommt, bedient sich der Mythos vielfältiger Bilder mit vertikaler Struktur. Eines von ihnen ist die Weltachse Sie alle sind Ausdruck der harmonischen Ehe der Welteltern, sowie der engen Gemeinschaft von Irdischem und Himmlischem.
Im Mythos wirken darum an der Wurzel der Schöpfung die Schicksalsgöttinnen, zwirnen die Schicksalsfäden zusammen, (Klotho, Urd), schneiden sie aber auch ab (Atropos, Skuld). In der jüdischen und christlichen Tradition ist die Urmutter aller Werke und Wirklichkeiten die Sapientia Dei, die Weisheit Gottes, die Sophia. In ihr liegt nach gnostischer Anschauung nicht nur die Summe aller ursprünglichen Ideen beschlossen, sondern sie ist auch die „Werkmeisterin“ der materiellen Realität. Die Astrologie hat sie im Sternbild Jungfrau an den Himmel versetzt. Im hellsten Stern Spica (Weizenähre) verbirgt sich der alchemistische Mercurius als göttlicher Zündfunke des Werkes, Prozessor der Reifung und Licht der Erkenntnis gleichermaßen.


Analytische Deutungen sehen darin manchmal den Phallus, manchmal eine Nabelschnur, die "als geschlechtliche Vereinigung und physische Mutter-Kind-Symbiose  [...]  wohl die stärksten Organsymbole für die Einheit in der Dualität (sind)". (Bischof, Das Kraftfeld der Mythen, S. 216). Die Ablösung aus der Symbiose, die Trennung der Welteltern und andere elementare Teile im Mythos setzt Bischof parallel zu Reifungsphasen der menschlichen Entwicklung. Die Weltachse als Symbol für Phallus und Nabelschnur steht am Beginn jedes individuellen Lebens.
Wie C. G. Jung entdeckt hat, wurde in den alchemistischen Texten der Antike und des MA die Suche nach dem göttlichen Geheimnis auf die Materie projiziert. Das Werk (opus) sollte das „Gold“ ans Licht bringen, und zwar nicht das „gewöhnliche“, materielle Gold, sondern das aurum non vulgi, das „nicht vulgäre Gold“, nämlich die Weisheit. Die Beschreibung dieses alchemistischen Werkes lässt sich aber seiner Ansicht nach genauso lesen als symbolische Beschreibung des Individuationsprozesses, der letztlich das eigentliche „Werk“ unseres Daseins ist. Es ist unser Lebenswerk schlechthin, das vom unbewussten Verhaftetsein an die Welt der Emotionen und Dinge zur zunehmenden Bewusstheit des Wesens reift und ein stetiges (oft schmerzliches) Ablösen und (oft mühsames) Neuordnen, neu Zusammensetzen und Integrieren erfordert. Die Grundlage dieses Individuationswerkes ist die Erfahrung, die wir in der Herausforderung durch die konkrete Welt sammeln. Es geht um die Wesensverwirklichung, das tätige Aus-Wirken dessen, was keimhaft angelegt war.


Jung erkennt in der Weltachse die archaische Vorstellung eines in den Kosmos projizierten Individuationsprozesses. Wenn etwa beim Initiationsritus eines Schamanen ein Baum, ein Seil oder eine andere Struktur, die der Weltachse entspricht, den Übergang aus der Diesseitswelt in die Jenseitswelt markiert, dann stellt das Hochklettern symbolisch eine lange und erfolgreiche Bewusstseinsdifferenzierung dar (GW 9, I, § 452). In der Jenseitswelt kann die himmlische Gattin und das eigentliche Selbst gefunden werden (GW 13, § 399, 462), was die Integration der Gegensätze bedeutet und das Ziel der Individuation ist. Die Weltachse kann als Symbol die Kommunikation mit dem verlorenen Jenseits, dem Paradies oder dem unbewussten Selbst wiederherstellen."Es ist [...] nicht erstaunlich, dass das Unbewusste des heutigen Menschen [...] auf das Symbol des in dieser Welt wurzelnden und zum Himmel emporwachsenden Weltenbaumes  [...]  zurückgreift. (GW 9I § 198). Jung deutet diesen archetypischen Vorgang so, dass das Bewusstsein des Individuums "mit der Basis des kollektiven Unbewussten verknüpft wird" (GW 14 III § 574) oder umgekehrt, dass der Weltenbaum, analog zur Weltachse, "den Aufstieg aus tiernahen Gebieten zu (r)  [...]  Vergrößerung des Bewusstseinshorizontes  [...]  darstellt." (GW 9 I § 433). Die Weltachse steht bei Jung als Symbol für die persönliche Reifung ebenso wie für die kollektive Bewusstseinserweiterung.
Man kann sich fragen, ob nicht die immer mehr beschleunigte Produkt- und Produktionsbesessenheit unserer Tage letztendlich die Ahnung der Notwendigkeit dieses essentiellen Werkes spiegelt. Doch wird übersehen, dass als Grundhaltung und Methode des Alchemisten von alters her drei Tugenden unverzichtbar gelten: Geduld, Bedächtigkeit und den weisen (und verantwortungsvollen) Umgang mit Stoff und handwerklichen Möglichkeiten. In Mythos und Märchen entspricht dem Werk oft der Weg, der gegangen werden muss, die Tat, die vollbracht, die Probe, die bestanden sein, das kostbare Heilmittel, das gefunden werden muss. Manchmal sind die symbolischen Werkstücke jedoch auch ganz konkrete „Wirkwaren“ wie z. B. in Andersens Märchen „Die wilden Schwäne“: Die Schwester muss für die verzauberten Brüder Hemden aus Nesseln knüpfen und in völligem Schweigen verharren, bis das letzte fertig ist. Bis zu dem Moment, als der Henker Hand an sie legen will, bringt sie alle fertig, bis auf den Ärmel des letzten. Das Werk ist nicht „vollkommen“, aber vollständig genug, um als Erlösungswerk zu gelten. Eine Art Umkehrung des Motivs des Webens und Wirkens im Sinne einer Entscheidungsvermeidung finden wir in Homers Odysseus: Die von zudringlichen Freiern umlagerte Penelope trennt das Gewirk in der Nacht auf, um den Fertigstellungsprozess hinauszuzögern, bis auch Odysseus sein schwieriges Reisewerk beendet hat.


E. Neumann beschreibt die gesamte Entwicklung und Gestaltung der Persönlichkeit, vor allem des Kindes, unter dem Aspekt des lebendigen Austauschs zwischen Ich und Selbst. Er verwendet dafür das Bild der Ich-Selbst-Achse, die ebenfalls eine symbolische Beziehung zur Weltachse hat.
'''Literatur:''' Standard


In der modernen Körpersymbolik entspricht das Rückgrat mit der vertikalen Ausrichtung und dem aufgerichtet Sein des Menschen der Weltachse. Vielleicht drücken die zahlreichen psychosomatisch Kranken mit Kreuz- und Rückenschmerzen auch aus, dass sie an der verlorenen Transzendenz, an Blockierungen auf der Ich-Selbst-Achse oder an Hindernissen im Individuationsprozess leiden.
'''Autor:''' Romankiewicz, Brigitte
 
'''Literatur:''' Standard; im Text angegeben
 
'''Autor:''' Friedemann, Monika

Version vom 9. Oktober 2015, 13:56 Uhr

Keyword: Werk

Links: Alchemie, opus magnum

Definition: Die Wurzel des Wortes „Werk“ liegt im gr. ergon und bedeutet „Werk, Tat, Handlung, Unternehmung, Wirkung; das durch Arbeit Hervorgebrachte, Kunstwerk“ (Benseler).

Information: Das Werk ist Prozess und Resultat des ergonomai, des Arbeitens und Tätigseins. Das Werk macht wirklich, durch das Werk wird Verwirklichung real. Seine Spannweite reicht vom größten Heilswerk, vom „opus“ (lat. für „Werk“), opus dei oder opus divinum, aber auch dem alchemistischen oder dem des Künstlers, bis zum kleinsten Ergebnis irgend eines Tätigseins. „Werk“, „wirken“ und „Wirklichkeit“ stammen aus derselben Wurzel. Wirklichkeit entsteht aus kleinen und großen Werken. Nicht alle scheinen auf den ersten Blick wichtig, nicht alle sind sichtbar, trotzdem schaffen sie Realität.

Interpretation: Ein Werk ist ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Es ist ein vielfädiges Gewirk aus der Werkstatt des gestaltenden Wirkens, Verflechtens, Gestaltens, Konkretisierens, ist Schöpferischsein, ist schöpferisches Sein. Alle Inspiration bedarf des konkreten Werks zur Vollendung. Doch der gestaltende Werkprozess ist nicht nur aufbauend. „Solve et coagula“ lautet das Motto des Alchemisten, „trenne und verdichte“ (genauer: „löse, löse auf und lasse gerinnen, verfestigen“). Das Auflösen gehört genauso zum Werk wie das neu Zusammenbringen oder sich verdichten Lassen. Es ist ein Stirb- und Werde-Prozess.

Im Mythos wirken darum an der Wurzel der Schöpfung die Schicksalsgöttinnen, zwirnen die Schicksalsfäden zusammen, (Klotho, Urd), schneiden sie aber auch ab (Atropos, Skuld). In der jüdischen und christlichen Tradition ist die Urmutter aller Werke und Wirklichkeiten die Sapientia Dei, die Weisheit Gottes, die Sophia. In ihr liegt nach gnostischer Anschauung nicht nur die Summe aller ursprünglichen Ideen beschlossen, sondern sie ist auch die „Werkmeisterin“ der materiellen Realität. Die Astrologie hat sie im Sternbild Jungfrau an den Himmel versetzt. Im hellsten Stern Spica (Weizenähre) verbirgt sich der alchemistische Mercurius als göttlicher Zündfunke des Werkes, Prozessor der Reifung und Licht der Erkenntnis gleichermaßen.

Wie C. G. Jung entdeckt hat, wurde in den alchemistischen Texten der Antike und des MA die Suche nach dem göttlichen Geheimnis auf die Materie projiziert. Das Werk (opus) sollte das „Gold“ ans Licht bringen, und zwar nicht das „gewöhnliche“, materielle Gold, sondern das aurum non vulgi, das „nicht vulgäre Gold“, nämlich die Weisheit. Die Beschreibung dieses alchemistischen Werkes lässt sich aber seiner Ansicht nach genauso lesen als symbolische Beschreibung des Individuationsprozesses, der letztlich das eigentliche „Werk“ unseres Daseins ist. Es ist unser Lebenswerk schlechthin, das vom unbewussten Verhaftetsein an die Welt der Emotionen und Dinge zur zunehmenden Bewusstheit des Wesens reift und ein stetiges (oft schmerzliches) Ablösen und (oft mühsames) Neuordnen, neu Zusammensetzen und Integrieren erfordert. Die Grundlage dieses Individuationswerkes ist die Erfahrung, die wir in der Herausforderung durch die konkrete Welt sammeln. Es geht um die Wesensverwirklichung, das tätige Aus-Wirken dessen, was keimhaft angelegt war.

Man kann sich fragen, ob nicht die immer mehr beschleunigte Produkt- und Produktionsbesessenheit unserer Tage letztendlich die Ahnung der Notwendigkeit dieses essentiellen Werkes spiegelt. Doch wird übersehen, dass als Grundhaltung und Methode des Alchemisten von alters her drei Tugenden unverzichtbar gelten: Geduld, Bedächtigkeit und den weisen (und verantwortungsvollen) Umgang mit Stoff und handwerklichen Möglichkeiten. In Mythos und Märchen entspricht dem Werk oft der Weg, der gegangen werden muss, die Tat, die vollbracht, die Probe, die bestanden sein, das kostbare Heilmittel, das gefunden werden muss. Manchmal sind die symbolischen Werkstücke jedoch auch ganz konkrete „Wirkwaren“ wie z. B. in Andersens Märchen „Die wilden Schwäne“: Die Schwester muss für die verzauberten Brüder Hemden aus Nesseln knüpfen und in völligem Schweigen verharren, bis das letzte fertig ist. Bis zu dem Moment, als der Henker Hand an sie legen will, bringt sie alle fertig, bis auf den Ärmel des letzten. Das Werk ist nicht „vollkommen“, aber vollständig genug, um als Erlösungswerk zu gelten. Eine Art Umkehrung des Motivs des Webens und Wirkens im Sinne einer Entscheidungsvermeidung finden wir in Homers Odysseus: Die von zudringlichen Freiern umlagerte Penelope trennt das Gewirk in der Nacht auf, um den Fertigstellungsprozess hinauszuzögern, bis auch Odysseus sein schwieriges Reisewerk beendet hat.

Literatur: Standard

Autor: Romankiewicz, Brigitte