Agnostos Theos und Nacht: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Agnostos Theos (unbekannter Gott)
'''Keyword:''' Nacht


'''Links:''' [[Agnosia]], [[Gnosis]], [[Gott]], Gottesbild
'''Links:''' [[Abend]], [[Bewusstsein]], [[Dunkelheit]], [[Finsternis]], [[Kreativität]], [[Mond]], [[Mutter]], große [[Schatten]], [[Nachtmeerfahrt]], [[Schlaf]], [[Tag]], [[Tod]], [[Traum]], [[Unbewusstes]], [[Weihnachten]]


'''Definition:''' Agnostos Theos, lat. unbekannter Gott.
'''Definition:''' Die Nacht bezeichnet etwa den Zeitraum zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, zwischen Einbruch der Dunkelheit und Beginn der Morgendämmerung.


'''Information:''' Der Verfasser der Apostelgeschichte (17, 23) lässt Paulus den Begriff "unbekannter Gott" in der nur hier berichteten Predigt auf dem Athener Areopag verwenden, und zwar ohne Artikel: "Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT (Agnóstotheô). Was ihr verehrt, ohne es zu kennen (agnoûntes, "<als [[nicht]] erkennende"), das verkünde ich euch". Die Verneinung der Erkenntnis (a-gnôsis) zeugt von einer Reflexionsstufe, die zu beträchtlicher Abstraktion fähig ist: Unabhängig vom kultischen Kontext objektiv vorhandener Heiligtümer wird mit einer Leerstelle des erkennenden Denkens gerechnet, mit einem Gott, den es zwar geben mag, der aber entweder noch nicht erkannt oder aber grundsätzlich unerkennbar ist.
'''Information:''' Die Nacht ist der vorübergehende Tod des Lebens. Alte Menschen fürchten sie oft, weil sie die Todesnähe deutlich spüren. Auch Kinder haben häufig Angst vor ihr. Sie scheinen die Bedrohung noch instinktiv zu spüren, die die Menschen seit Urzeiten bei Einbruch der Nacht empfunden haben, denn in der Nacht lauerten unzählige Gefahren.


Dies steht im Gegensatz zur esoterischen Strömung der Gnosis, die zur Zeit des Neuen Testamentes eine Art Geheimwissen im Sinne antiker Mysterien- (event-)Religionen versprach und die möglicherweise einen gewissen Einfluss auf das Johannesevangelium hatte.
'''Interpretation:''' Die Nacht ist der Raum der Schatten, der Unbestimmtheit, der Albträume, der Täuschungen und heimlichen Handlungen ("bei Nacht und Nebel"), der dunklen Seiten des Lebens ("hässlich wie die Nacht") und der dunklen, bedrohlichen Wesen ("die Nacht der langen Messer"), der trüben Stimmungen ("schwarz wie die Nacht"); ebenso der Raum des [[Unbewussten]] und seiner Kräfte und Mächte, die des Nachts dem hellen [[Ich]] des [[Bewusstseins]] und analytischen Denkens die Macht entrissen haben und sich in den [[Träumen]] manifestieren. Für die Griechen war sie (nyx) die Tochter des [[Chaos]], aber auch die [[Mutter]] des [[Himmels]] (uranos) und der [[Erde]] (gaia). Sie zieht über den Himmel in einen dunklen Schleier gehüllt, in einem von vier schwarzen Pferden gezogenen Wagen, eskortiert von ihren Kindern, den Furien und Parzen.


Eine weitere Konsequenz des Konzeptes ist die Namenlosigkeit des unbekannter Gotts, die ihn von den Mitgliedern der antiken Götterfamilien unterscheidet. Diese Namenlosigkeit ist alttestamentlich-jüdisches Erbe. Denn der Name des Gottes Israels wurde mit so großem Respekt behandelt, dass er in der alltäglichen Sprache nicht ausgesprochen werden durfte, auch nicht in der religiösen Sprache. Die "Offenbarung" des Gottesnamens JHWH sollte kein besitzendes Wissen eines theologischen oder kultischen Begriffs ermöglichen, sondern Scheu und Unterscheidung von allen anderen Wörtern der Sprache.
Die Nacht ist mit ihrer Verbindung zur dunklen Seite aber auch die Zeit der triebhaften Impulse, der Lust, der Sexualität ("Nachtleben"), im Verein damit der Zärtlichkeit und Intimität der Liebe.


Mit der der Namenslosigkeit hängt die Geschlechtslosigkeit (Transsexualität) des unbekannten Gottes zusammen: Es ist unbestimmt, ob es sich um einen Gott, eine Göttin oder aber um eine bisexuelle Gottheit handelt. Es ist also etwas Tieferes gemeint, als eine bloße Vertauschung oder Ersetzung von Gottesbildern, etwa die Ablösung eines matriarchalen Gottesbildes durch ein patriarchales. Der die Geschichte der Theologie kritisch begleitende Traditionsstrom der "negativen Theologie" möchte die Leerstelle des unbekannten Gottes offen halten, das erkenntnismäßige "Nichts" Gottes, das mit der Begrenztheit unserer Wissensmöglichkeiten und mit der Transzendenz Gottes gegeben ist. Dieser meist leise und oft verdächtigte Traditionsstrom beruft sich gern auf diese Stelle, besonders auf den in Vers 34 genannten Dionysios (den "Areopagiten"). Wichtige Vertreter der negativen Theologie sind Pseudo-Dionysios Areopagita und Meister Eckhart.
Als Tod des [[Lichts]], des Lebens und des Bewussteins ist die Nacht gleichzeitig auch der Wendepunkt zum Neubeginn des Lebens, ein keimbeladender Raum, trächtig und voller noch nicht entfalteter Möglichkeit. An diesem Tiefpunkt der Leere kann sich auch das Bewusstsein reinigen, neu formieren und mit neuen Inhalten anreichern. Die Nacht geht schon schwanger mit dem [[Tag]]. Da die Möglichkeiten in diesem Zustand noch unbekannt sind, erwecken sie auch den Eindruck des Konspirativen, Geheimen. Bei E. Bloch (Prinzip Hoffnung) ist dies der Raum der Latenz.


Im Gegensatz hierzu wird der "unbekannter Gott" seit der angegebenen Stelle in Apostelgeschichte 17, 23 immer wieder thematisiert: Er ist Gegenstand der Predigt (Verkündigung), der Kunst (vor allem Musik und Malerei), der Verehrung und – noch wichtiger – der spirituellen Suche. Allerdings berichten die folgenden Verse der Apostelgeschichte, dass Paulus mit seiner Predigt über Schöpfung und Auferstehung vor allem Spott und Hohn erntete, abgesehen von Dionysios und einer Zuhörerin namens Damaris. Möglicherweise handelt es sich um die Verarbeitung einer erfolglosen Predigt im Umkreis der Apostelgeschichte: Demnach lässt sich zwar nur eine Minderheit von der Thematisierung des unbekannter Gotts ansprechen. Das Gemeinte erweist sich dennoch durch die Jahrhunderte als erstaunlich überlebensfähig.
Die Nacht hat also den Doppelcharakter von Tod und Leben, Stillstand und Neubeginn. Der Punkt des Umschlags ist um Mitternacht. Sie ist die Stunde der Einweihung in den antiken Mysterien ([[Mysterium]]), der tiefsten Dunkelheit, die Zeit der [[Geister]] und [[Dämonen]], der tiefsten Schatten und des geringsten Lichts, aber auch der spirituellen und geistigen Erkenntnis. Zwischen der Stunde Null und der ersten Stunde ahnt man eine Art Niemandsland, in dem sich alle möglichen Wesen der Finsternis austoben können. Psychisch ist dies die Stunde der Begegnung mit dem Tod, dem eigenen Schatten und der [[Angst]]. Dort sind die Unklarheit, die Verwirrung, die Unkenntnis und die Verlorenheit am größten. Damit steht aber auch die Entscheidung und Wandlung bevor. In der tantrischen Tradition ist dies die Zeit der absoluten Stille und Ruhe. Gleichzeitig ist es aber der Punkt des Neubeginns, an dem, sich wie [[Phönix]] aus der Asche der neue Tag langsam zu entfalten beginnt wie aus dem Nichts, dem Nicht-Sein.
 
In heutiger Perspektive liegt es nahe, das Konzept des "unbekannter Gott"s im Licht des modernen Agnostizismus zu verstehen. Im Unterschied zum Atheismus, der (einer ironischen Bemerkung Heinrich Bölls zufolge) unentwegt von Gott redet, lässt der Agnostiker die Gottesfrage offen und akzeptiert die Begrenztheit unserer Wissens- und Erkenntnismöglichkeiten. Blaise Pascal versuchte deshalb nicht, einen derartigen Skeptiker zum Theisten zu 'bekehren'. Vielmehr empfahl er eine existenzielle "Wette" jenseits aller wissenschaftlichen oder philosophischen Positionen. Bemerkenswert sind Versuche, den unbekannten als den unbewussten Gott zu denken, z. B. bei V. Frankl und bei C. G. Jung, der in "Antwort auf Hiob" eine Bewusstwerdung des sich individuierenden Gottes nachzeichnet. Schließlich meint die theologische Kategorie des Geheimnisses nicht ein Rätsel, das durch Erkenntnis-Anstrengungen zu lösen wäre, sondern den unergründlichen Horizont unseres Wissens, Begehrens und Handelns. In den religiösen Begriffen und Einzelerfahrungen, so etwa Karl Rahners transzendentaler Ansatz, sind wir auf einen Grund verwiesen, den wir weder aussprechen noch "erkennen" können wie andere Gegenstände unseres Denkens.
 
'''Interpretation:''' Der skizzierte Absprung von üblichen Erkenntniskategorien des feststellenden Denkens lässt den "unbekannter Gott" als seelisches Symbol deutlich werden. In der analytischen Arbeit mit Träumen und religiösen oder "atheistischen" Biografien ermöglichen die Traditionen der Menschheitsreligionen einen amplifizierenden Umgang mit individuellen Inhalten, z. B. die Lösung von fixierten Gottesbegriffen in der buddhistisch inspirierten Meditation. Die positiven Dogmen, Traditionen und Rituale der jüdisch-christlichen Theologie helfen beim Verstehen der spirituellen, häufig religionskritischen Orientierung moderner Gott-Sucher. Die negativen Theologien helfen, den unbekannten, aber dennoch thematisierten Gott als innerpsychischen und kollektiven Altar zu schützen. Er macht zwar manche Prediger ratlos, hält aber die Erinnerung an eine unbeantwortete Frage offen.


'''Literatur:''' Standard
'''Literatur:''' Standard


'''Autor:''' Frick, Eckhard
'''Autor:''' Knoll, Dieter

Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 17:51 Uhr

Keyword: Nacht

Links: Abend, Bewusstsein, Dunkelheit, Finsternis, Kreativität, Mond, Mutter, große Schatten, Nachtmeerfahrt, Schlaf, Tag, Tod, Traum, Unbewusstes, Weihnachten

Definition: Die Nacht bezeichnet etwa den Zeitraum zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, zwischen Einbruch der Dunkelheit und Beginn der Morgendämmerung.

Information: Die Nacht ist der vorübergehende Tod des Lebens. Alte Menschen fürchten sie oft, weil sie die Todesnähe deutlich spüren. Auch Kinder haben häufig Angst vor ihr. Sie scheinen die Bedrohung noch instinktiv zu spüren, die die Menschen seit Urzeiten bei Einbruch der Nacht empfunden haben, denn in der Nacht lauerten unzählige Gefahren.

Interpretation: Die Nacht ist der Raum der Schatten, der Unbestimmtheit, der Albträume, der Täuschungen und heimlichen Handlungen ("bei Nacht und Nebel"), der dunklen Seiten des Lebens ("hässlich wie die Nacht") und der dunklen, bedrohlichen Wesen ("die Nacht der langen Messer"), der trüben Stimmungen ("schwarz wie die Nacht"); ebenso der Raum des Unbewussten und seiner Kräfte und Mächte, die des Nachts dem hellen Ich des Bewusstseins und analytischen Denkens die Macht entrissen haben und sich in den Träumen manifestieren. Für die Griechen war sie (nyx) die Tochter des Chaos, aber auch die Mutter des Himmels (uranos) und der Erde (gaia). Sie zieht über den Himmel in einen dunklen Schleier gehüllt, in einem von vier schwarzen Pferden gezogenen Wagen, eskortiert von ihren Kindern, den Furien und Parzen.

Die Nacht ist mit ihrer Verbindung zur dunklen Seite aber auch die Zeit der triebhaften Impulse, der Lust, der Sexualität ("Nachtleben"), im Verein damit der Zärtlichkeit und Intimität der Liebe.

Als Tod des Lichts, des Lebens und des Bewussteins ist die Nacht gleichzeitig auch der Wendepunkt zum Neubeginn des Lebens, ein keimbeladender Raum, trächtig und voller noch nicht entfalteter Möglichkeit. An diesem Tiefpunkt der Leere kann sich auch das Bewusstsein reinigen, neu formieren und mit neuen Inhalten anreichern. Die Nacht geht schon schwanger mit dem Tag. Da die Möglichkeiten in diesem Zustand noch unbekannt sind, erwecken sie auch den Eindruck des Konspirativen, Geheimen. Bei E. Bloch (Prinzip Hoffnung) ist dies der Raum der Latenz.

Die Nacht hat also den Doppelcharakter von Tod und Leben, Stillstand und Neubeginn. Der Punkt des Umschlags ist um Mitternacht. Sie ist die Stunde der Einweihung in den antiken Mysterien (Mysterium), der tiefsten Dunkelheit, die Zeit der Geister und Dämonen, der tiefsten Schatten und des geringsten Lichts, aber auch der spirituellen und geistigen Erkenntnis. Zwischen der Stunde Null und der ersten Stunde ahnt man eine Art Niemandsland, in dem sich alle möglichen Wesen der Finsternis austoben können. Psychisch ist dies die Stunde der Begegnung mit dem Tod, dem eigenen Schatten und der Angst. Dort sind die Unklarheit, die Verwirrung, die Unkenntnis und die Verlorenheit am größten. Damit steht aber auch die Entscheidung und Wandlung bevor. In der tantrischen Tradition ist dies die Zeit der absoluten Stille und Ruhe. Gleichzeitig ist es aber der Punkt des Neubeginns, an dem, sich wie Phönix aus der Asche der neue Tag langsam zu entfalten beginnt wie aus dem Nichts, dem Nicht-Sein.

Literatur: Standard

Autor: Knoll, Dieter