Abgrund und Multiplicatio: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Abgrund
'''Keyword:''' Multiplicatio


'''Links:''' [[Abstieg]], [[Aufstieg]], [[Absturz]], [[Ende]], [[Fallen]], [[Nigredo]], [[Schwarz]], [[Tiefe]], [[Tod]]
'''Links:''' [[Alchemie]], [[Alchemie]], Phasen [[Stein]] der Weisen


'''Definition:''' Abgrund ahd. „abgrunt" = „schauerliche Tiefe", auch im Sinne von „unermesslich tief". Gefährliche Tiefe; unergründlicher Bereich; Untergang, Verderben; unüberbrückbare Kluft, Gegensatz.
'''Definition:''' Die Multiplicatio ist eine der abschließenden alchemistischen Operationen, welche das Vorhandensein des Lapis ([[Stein]] der Weisen) schon voraussetzt.


'''Information:''' Herakles muss neun Tage in den Hades absteigen. Dabei ist sein Abstieg so grauenvoll, dass er ihn nur mit Hilfe seines Vaters Zeus bewältigen kann.
'''Information:''' Durch vorsichtiges Erwärmen kann die transmutierende Kraft des Steines vervielfacht werden. Dies geschieht meist in Zusammenhang mit der proiectio, wenn der Lapis als Pulver oder Tinktur auf das geschmolzene, unedle Metall aufgeworfen, projiziert wird, um dieses zu Gold zu transmutieren. Aus diesem Gold kann man erneut eine Tinktur bzw. den Lapis gewinnen, wobei sich jeweils bei dieser Prozedur die Transmutationskraft des Steines um das Zehnfache vervielfältigt. Diese qualitative multiplicatio steht im Gegensatz zur quantitativen multiplicatio, wo das Gold nur durch eine weitere Zugabe des Stoffes (z. B. Quecksilber) vermehrt wird. Die multiplication als zyklisches Geschehen wird auch mit der [[circulatio]] in Verbindung gebracht.


Im Alten Testament ist der Abgrund der Aufenthaltsort der Toten (Hiob 26, 6), im Neuen Testament ist es das Gefängnis des Teufels und der abtrünnigen Geister (Off 9, 1-11).
Bild 15 des [[Rosarium]] philosophorum ist mit multiplicatio überschrieben, die sich hier in der Heilkraft des fallenden Taus manifestiert. Der Text zu Bild 10 weist auf die "Vermehrungsfähigkeit" des Steins (vgl Jung, S. 329). Der Pelikan versinnbildlicht durch seine Liebe die multiplicatio, indem er seinen Nachwuchs mit seinem eigenen Fleisch und Blut ernährt.


In einem Inuitomärchen wird geschildert, wie die Erde von einem gewaltigen Abgrund umgeben ist ("Misana, der zum Land der Perlen verschlagen wird", Beit, 1952, I, 43) Auch die nordamerikanischen Indianer kennen diesen Abgrund von furchtbarer Tiefe, der am Rande der Welt gähnt und dort das Unbekannte von der Erde scheidet. Wer dort in die Tiefe gerissen wird, fällt in den Abgrund ewiger Dunkelheit bzw. geistiger Umnachtung.
'''Interpretation:''' Psychologisch veranschaulicht die multiplicatio die potenzierende Kraft des aktivierten Selbst im Wandlungsprozess. Voraussetzung dafür ist die Offenheit für das Selbst, ähnlich wie der Stoff in der Alchemie für die Wirkung des auf ihn projizierten Steines offen sein muss. Eine solche Ausrichtung auf das Selbst kann gerade in zwischenmenschlichen Beziehungen wechselseitig Wandlungsprozesse verstärken. In der therapeutischen Beziehung kann damit die induktive Wirkung des Unbewussten mit ihrem wechselseitigen Affiziertseins von Analytiker und Patient auf eine höhere Ebene gebracht werden.


In der Tiefe des Abgrunds wohnt auch die "Große Mutter" ([[Mutter, Große]]). Auf dem Weg dorthin muss der [[Held]] ([[Heros-Prinzip]]) nicht nur ein rastlos sich drehendes Rad, schlüpfrig wie Eis, sondern auch noch die [[Brücke]] überqueren, deren Breite nicht größer ist als eines [[Messers]] Schneide.
'''Literatur:''' Standard, Edinger (1990)


Phaethon stürzt vom [[Himmel]] bei dem Versuch, den Sonnengott zu ersetzen. Auch im Märchen "Marienkind" wird die Heldin vom Himmel hinabgestürzt oder im Märchen "Im verbotenen Gemach" wegen Nichtbeachtung wichtiger Regeln durch den kalten Wind in den Abgrund geworfen.
'''Autor:''' Krapp, Manfred
 
Im Film „Abyss" (1989) geraten Taucher in einen Tiefseeabgrund und kommen dort mit einer ozeanisch-paradiesischen Anderswelt in Kontakt.
 
'''Interpretation:''' Der Volksmund spricht von "am Abgrund stehen". Der Abgrund steht für die Unergründlichkeit der Tiefe wie auch für die Demütigung und Unterlegenheit. Wenn sich "Abgründe auftun", gilt es "Grund zu erfahren" und Anschluss an die innerste Tiefe zu finden. Oft ist der Abgrund die Folge einer psychischen Gegenbewegung zu der Überhebung, die fast immer in den Abgrund der Verzweiflung führt.
 
Mit einer großen ambivalenten Spannbreite umfasst der Abgrund die Tiefe der Wasser (gilt so als die Urquelle des Universums, Muttergöttin und Unterwelt. In der gnostischen Symbolik ([[Gnosis]]) steht er für Höchstes Sein und den Schöpfer der Äonen. So ist er Urgrund, der verschlingen kann, aber auch Ort des Neubeginns. Das göttliche, letzte, absolute Prinzip wird gelegentlich auch als der Ur- und Ungrund, die unergründliche Tiefe beschrieben.
 
Bei C. G. Jung erscheint das Symbol des Abgrundes in Verbindung mit der liebenden und zugleich schrecklichen Mutter und verkörpert die Tiefe und Unbekanntheit des Unbewussten.
 
'''Literatur:''' Standard, Campbell (1953)
 
'''Autor:''' Obleser, Horst

Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 17:51 Uhr

Keyword: Multiplicatio

Links: Alchemie, Alchemie, Phasen Stein der Weisen

Definition: Die Multiplicatio ist eine der abschließenden alchemistischen Operationen, welche das Vorhandensein des Lapis (Stein der Weisen) schon voraussetzt.

Information: Durch vorsichtiges Erwärmen kann die transmutierende Kraft des Steines vervielfacht werden. Dies geschieht meist in Zusammenhang mit der proiectio, wenn der Lapis als Pulver oder Tinktur auf das geschmolzene, unedle Metall aufgeworfen, projiziert wird, um dieses zu Gold zu transmutieren. Aus diesem Gold kann man erneut eine Tinktur bzw. den Lapis gewinnen, wobei sich jeweils bei dieser Prozedur die Transmutationskraft des Steines um das Zehnfache vervielfältigt. Diese qualitative multiplicatio steht im Gegensatz zur quantitativen multiplicatio, wo das Gold nur durch eine weitere Zugabe des Stoffes (z. B. Quecksilber) vermehrt wird. Die multiplication als zyklisches Geschehen wird auch mit der circulatio in Verbindung gebracht.

Bild 15 des Rosarium philosophorum ist mit multiplicatio überschrieben, die sich hier in der Heilkraft des fallenden Taus manifestiert. Der Text zu Bild 10 weist auf die "Vermehrungsfähigkeit" des Steins (vgl Jung, S. 329). Der Pelikan versinnbildlicht durch seine Liebe die multiplicatio, indem er seinen Nachwuchs mit seinem eigenen Fleisch und Blut ernährt.

Interpretation: Psychologisch veranschaulicht die multiplicatio die potenzierende Kraft des aktivierten Selbst im Wandlungsprozess. Voraussetzung dafür ist die Offenheit für das Selbst, ähnlich wie der Stoff in der Alchemie für die Wirkung des auf ihn projizierten Steines offen sein muss. Eine solche Ausrichtung auf das Selbst kann gerade in zwischenmenschlichen Beziehungen wechselseitig Wandlungsprozesse verstärken. In der therapeutischen Beziehung kann damit die induktive Wirkung des Unbewussten mit ihrem wechselseitigen Affiziertseins von Analytiker und Patient auf eine höhere Ebene gebracht werden.

Literatur: Standard, Edinger (1990)

Autor: Krapp, Manfred