Rätsel

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Keyword: Rätsel

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Definition: Rätsel (spätmhd. raetsel, ratsel - raten) lösen heißt Unbekanntes, Geheimes (Geheimnis), eine gestellte Aufgabe zu entschlüsseln, zu erforschen und die richtige Lösung herauszufinden. Die Bedeutung des Verbes raten hat einen doppelten Sinn: jemanden einen Rat erteilen, eine Empfehlung geben, zum anderen nach Lösungen“ suchen, durch Überlegen, Kombinieren oder Schätzen das Richtige herausfinden. Rat bedeutet aber auch: Hilfe, Wink, Beistand, Schutz, Lehre.

Information: Seit frühester Zeit gehört das Aufgeben und Lösen von Rätseln und Denkaufgaben in der Form des (spielerischen) Wettkampfes, als fester Bestandteil zur menschlichen Kultur, was sich in zahlreichen Mythen und Märchen widerspiegelt. In der vedischen Religion, der ältesten überlieferten Religion Indiens gehörte zum Ritus, dass sich die Opferpriester gegenseitig Rätsel stellten, die sich oft auf kosmische Erscheinungen bezogen. Im Alten Testament stellte die Königin von Saba stellte dem weisen König Salomon Rätselfragen, um seine Intelligenz auf die Probe zu stellen. Bekannt ist auch der Rätselkampf im Mittelalter beim Sängerwettstreit auf der Wartburg, an dem der Zauberer Klingsor und der Dichter Wolfram von Eschenbach beteiligt waren.

Interpretation: Rätsel der Antike sind uns in großer Zahl überliefert. Bei Symposien wurden häufig Rätsel gestellt neben dem Vortrag von Liedern und Gedichten, dienten der Belehrung jedoch auch der Unterhaltung: Nach Aristoteles sind Rätsel, dadurch dass sie die Menschen zum Staunen bringen, die Vorstufe zum Philosophieren. Nur im weiteren Sinne fallen die berühmten Orakelsprüche von Delphi in den Bereich des Rätsels, in denen die Prophetin Pythia die Weissagungen des Gottes Apoll bekannt gab und dadurch manch Rätsel aufgab. Das bekannteste und symbolisch bedeutungsvollste Rätsel in der griech. Mythologie ist das Rätselder Sphinx (Ödipus).

In Märchen stellt das Motiv des Rätsellösens eine Art Wettstreit dar. Die gelösten Rätsel sind meist der Schlüssel zur Er-„Lösung“, durch den der Held in den Besitz der schwer zu erreichbaren Kostbarkeit gerät, die Liebe der Prinzessin gewinnt oder diese heiraten darf, meist verbunden mit dem Erlangen der Königswürde und des Königsreichs. Als sogen. Halsrätsel entscheidet die richtige Lösung des Rätsels sogar über Leben und Tod. In der Freierprobe als verbreitetem Märchenmotiv werden dem Helden von einer Prinzessin mehrere (meist drei) Rätselgestellt, manchmal auch im Gegenzug vom Helden der Prinzessin.

Beispiele für das Motiv des Rätsellösens in Opern und Schauspielen: Pucchini „Turandot“, Orff „Die Kluge“, Wagner „Lohengrin“- „Nie sollst Du mich befragen“ (nämlich nach Namen und Herkunft). Wagner „Parzifal“ (Wunde des Amphortas), Shakespeare „Der Kaufmann von Venedig“. Anlass für vielfältige Deutungen hat auch das „Hexen-Einmaleins“ in Goethes Faust gegeben. Im 19. Jahrh. sind Frage- und Antwortspiele zur Belehrung und Unterhaltung und als unterschiedliche Gesellschaftsspiele (Kreuzwortsrätsel) in Mode gekommen, die im 20. Jahrh. mithilfe der Massenmedien zum Wissens-„Quiz“ wurden (Quiz von „Prüfung, Test“)

Rätsel fordern unsere Orientierungs-Funktionen, unsere Kombinationsgabe, unser symbolisches Verständnis und unsere Lebenserfahrung heraus. Über die reine Wissenabfrage hinaus ist es oft ein bewusstes Verwirrspiel, dessen Sprache mit Bedeutungen, mit Logik spielt und eine andere, häufig polare Sichtweise ermöglicht. (Trickster, Narr, Clown)

Die tiefste Ebene des Rätselratens findet sich in der Frage des Menschen nach sich selbst und dem Sinn seiner Existenz (Sphinx). Hier kann das Rätselraten als Aufgabe der Individuation verstanden werden, der Entwicklung und Differenzierung des Bewusstseins aus dem Unbewussten, der Verwirklichung seines individuellen Schicksals und dem Prozess der Selbstfindung. Das Rätsel steht für das Geheimnis der Schöpfung und aller existentiellen Fragen des Lebens und des Todes, der Beziehung zwischen Frau und Mann (Eros-Prinzip) und der Kreativität.

Literatur: Standard

Autor: Kuptz-Klimpel, Annette