Golem

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Keyword: Golem

Links: Erde, Individuation, Kreativität, Materie, Mensch

Definition: Golem (hebr.) bedeutet seelenlose Materie, formlose Masse.

Information: Der Golem als Gestalt hat verschiedene Wurzeln und Bedeutungen, die sich im Verlauf der Jahrhunderte gewandelt haben. Nach der talmudischen Überlieferung formte Gott den ersten Menschen als riesiges unbeseeltes, zweigeschlechtliches Urwesen, als Golem, der die ganze Fülle und Kraft des Universums beinhaltet (kosmogonische Mythe). Zum Adam wird er erst dadurch, dass Gott ihn durch Einhauchen seines Atems beseelt und die Geschlechter voneinander trennt. Nur im 139. Psalm (Vers 16) kommt der Ausdruck Golem im hebräischen Urtext der Bibel vor: "Meinen Golem sahen deine Augen". Der Wunsch des Menschen, Gottes Schöpfungsakt zu wiederholen, spiegelt sich in der im 12. Jahrhundert aufgekommenen magisch-mythischen Vorstellung, besonders befähigte Rabbiner hätten die Gabe, aus Lehm künstliche Menschen (und Tiere) zu erschaffen und sie in ihren Dienst zu stellen (Kabbala, Buch Sefer Jezira). Belebt werden konnte der Golem durch das geheime Wissen des Eingeweihten um die schöpferische Macht des Alphabets. Das Wort emeth (Wahrheit), auf seine Stirn geschrieben, erweckte ihn zum Leben. Wurde der erste Buchstabe getilgt zu meth (tot), wurde er wieder zu Erde.

Interpretation: Neben den Legenden von der buchstäblichen Erschaffung eines künstlichen Menschen entwickelte sich ein mystisches Initiationsritual, in dem der Adept die magische Verwandlung und Vergeistigung des inneren Golems anstrebt. Vom 15. Bis 17. Jahrhundert gewann die Idee des Golem in Deutschland stark an Bedeutung. Es erscheint offensichtlich, dass sie in die Alchemie eingeflossen ist und diese beeinflusst hat, (prima materia, lapis; Paracelsus: Idee des Homunkulus). Überdies bestehen frühe Verbindungen zur Gnosis (Idee des Anthropos). Die Gefahr der Hybris, die in der Nachahmung von Gottes Schöpfungsakt liegt, kommt schon früh in Legenden zum Ausdruck, in denen der Golem zu einem mächtigen Wesen von großer tellurischer Kraft und Destruktivität heranwächst und seinem Schöpfer und schließlich sogar Gott selbst zur tödlichen Bedrohung wird. Dies kann im Hinblick auf die heutige Entwicklung der Atomkraft und der Gentechnologie nachdenklich stimmen.

Insbesondere in der deutschen Romantik wurde der Legendenstoff über die Gestalt des Golems, von Jakob Grimm 1808 veröffentlicht, vielfach literarisch verarbeitet. (E. T. A. Hoffmann, A. v. Arnim u. a.) Heute noch am bekanntesten ist der phantastische Roman von G. Meyrink ("Der Golem"), der die Sage um Rabbi Löw von Prag aufnimmt und modifiziert. Der Protagonist ist ein Suchender, der in der unheimlichen Atmosphäre des Ghettos überall der schattenhaften, aber nie sichtbaren Gestalt des Golems und letztlich sich selbst begegnet.

C. G. Jung hat das Bild von Adam als dem Urmenschen (Golem) aus dem der Makrokosmos hervorgeht aufgegriffen, und mit dem psychologischen Selbst in Beziehung gebracht. In der Symbolik der Wandlung des Urmenschen zum "Adam Kadmon", dem Adam secundus bildet sich der Individuationsprozess ab (Individuation). Jung spricht vom Selbst als dem Archetyp des Anthropos.

In der Therapie spielen an den Golem erinnernde Gestalten in Träumen und anderen unbewussten Gestaltungen eine Rolle. Eine Patientin mit einer neurotischen Depression gestaltete aus Ton eine rohe, undifferenzierte Figur. Sie brachte damit zum Ausdruck, wie sie sich fühlte: schwerfällig, dumpf, undifferenziert. Diese Gestalt blieb als Sandspielfigur erhalten. Sie wird von Erwachsenen relativ häufig verwendet als Bild ihrer zu differenzierenden Persönlichkeit (Individuation).

Literatur: Standard; Scholem, G.: Zur Kabbala und ihrer Symbolik, Suhrkamp Taschenbuch

Autor: Daniel, Rosmarie