Lebenselixier

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Keyword: Lebenselixier

Links: Alchemie, Bios-Prinzip, Eros-Prinzip, Wasser, Unsterblichkeit, Wein

Definition: Unter einem Lebenselixier wird volkstümlich meist ein Zaubertrank verstanden, der Jugend, Schönheit, Gesundheit, Vitalität, Fruchtbarkeit, Potenz, ein langes Leben und sogar Unsterblichkeit verleihen sollte. Im übertragenen Sinne werden darunter auch Dinge verstanden, die die Lebensfreude erhöhen und die Regeneration fördern.

Information: Die Suche nach einem Kraut gegen den Tod ist so alt wie das Wissen des Menschen um die Begrenztheit seines Lebens. So gern man dieses verdrängen möchte: Es holt einen immer wieder ein. Das spiegelt sich in vielen Mythen, die erzählen, es sei einem Helden der Vorzeit beinahe (!) gelungen, ein Kraut gegen den Tod zu finden. Schon der Steinzeitmensch suchte nach dem vielgelobten Aqua Vitae (Lebenswasser). Die moderne Wissenschaft hat diese Suche keineswegs aufgegeben und auch manchen Erfolg dabei zu verbuchen. Doch sterben muss der Mensch zuletzt immer noch, und die Sehnsucht nach dem L. ist nach wie vor ungestillt.

Das Wort Elixier stammt von El Ixir. Damit übersetzten arabische Alchemisten Xerion, ein Wundpulver, das seit hellenistischer Zeit im Gebrauch war. Die Alchemisten glaubten, wenn sie dem El Ixir ein rotes Korallenpulver beimischen würden, verwandle sich dieses in ein Allerweltsheilmittel, den lapis philosophorum: Stein der Weisen, der alle Krankheit heilt und unedle Metalle in Gold verwandelt. Was die Natur im Laufe von Äonen vollbringe, die Ausreifung unedler Metalle zu Gold, das vermöge der lapis philosophorum im Labor des Alchemisten in wenigen Monaten. Die Voraussetzungen für dieses Opus Magnum waren allerdings zahlreich: 1. Der Meister hatte die Wandlung zum höheren Menschen vollzogen; 2. der Himmel unterstützte das Werk; 3. die störungsanfällige Laboreinrichtung war nicht schon wieder verhext; 4. das Geld für die teuren Rohmaterialien war noch nicht alle, und 5. der finanzkräftige Mäzen glaubte immer noch, der Alchemist verstehe das Allerweltsheilmittel wirklich herzustellen!

Die Alchemie entstand in den Hochkulturen Chinas, Indiens und des Nahen Ostens. Alchemisten waren oft Ärzte, bis hin zu Paracelsus (1493-1541). Daneben boten Kräuterfrauen Lebenselixiere an. Aber auch die Kirche vermittelte ein L: Schon Ignatius von Antiochien (gest. 112) bezeichnete die Eucharistie als Pharmakon Athanasias: Arznei der Unsterblichkeit. Der heutige Mensch findet in den Erzeugnissen der modernen Chemie und Pharmazeutik mannigfachen Ersatz für die alten Lebenselixiere, und die Werbung preist solche Produkte als Jungbrunnen an.

Interpretation: Die Tiefenpsychologie bringt den fundamentalen Wandel im Verständnis des Lebenselixiers: Sie erkennt im Lebenselixier ein Symbol für wahres Leben. Die Projektion wird zurückgenommen: Der Lebensprozess und das ihn organisierende Selbst ist das Lebenselixier, das Pharmakon Athanasias! Was die Alten außen suchten, ist innen zu finden, in der Verbindung zum eigenen Seelengrund. Es geht gar nicht um leibliche Überwindung des Todes, sondern um Überwindung des uneigentlichen Lebens, des Lebens in der Persona! Ist das Selbst eines Menschen ewig? Das Genom, der materielle Aspekt, pflanzt sich über die Keimbahn fort. Indem es das Individuum überlebt, lebt es "ewig". Darum fasziniert die Sexualität derart im zeugungsfähigen Alter und erscheint als Lebenselixier; die Gene wollen ewig leben! Der geistige Aspekt eines Menschen lebt nach dessen Tod in Mitmenschen und Kulturdokumenten weiter, je nachdem, was für geistige Anregungen er hinterlässt, und dann verlöscht er."Und seine Werke folgen ihm ins Grab", sagt die Liturgie. Der Einzelne muss sein Leben während der einmaligen Zeit zu erfüllen suchen, die ihm gegeben ist. Das ist möglich: "Lehre uns unser Ende bedenken, dass wir ein weises Herz gewinnen" (Ps. 90, 12)! Wer das Potenzial seines Lebens ausschöpft, kann das Leben dereinst loslassen. Man kann aber nur loslassen, was man hat: Ungelebtes Leben will nicht sterben! Das Lebenselixier ist das große Ja zum Leben und Sterben: der Individuationsprozess!

Literatur: Standard; Kaufmann, 1989; Schütt (2000)

Autor: Kaufmann, Rolf