Ende

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Keyword: Ende, enden

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Definition: Das Ende (ahd. enti, indogerm. ant: das vor einem Liegende) kann als Letztes, Ziel- und Endpunkt, als Ausgang, Schluss, Schlusspunkt oder -phase, Abschluss und Ausklang sowohl räumlich wie auch zeitlich aufgefasst werden. Als vor einem Liegendes weist es in die Zukunft, nach vorne, man geht darauf zu, wartet darauf. Wie der Anfangspunkt kann das Ende ein fester Punkt oder (Zeit-)Raum sein oder in ungewisser Zukunft oder Ferne liegen. Als Gegenpol zum Ende kann sowohl der Anfang gedacht werden wie das Unendliche, Unbegrenzte, Zeitlose und Ewige. Alles, was einen Anfang und ein Ende hat, ist endlich, begrenzt, innerhalb einer Zeit und eines Raumes.

Information: Die archetypische Frage nach Anfang und Ende der Welt, der Endlichkeit oder Unendlichkeit wird in religiösen und philosophischen Vorstellungen im Allgemeinen dadurch gelöst, dass das Endliche zugleich das Körperliche, das Menschliche, das Stoffliche und Bewusstseinsfähige ist. Das Endliche ist das von einem unendlichen oder nicht erkennbaren Schöpfer Geschaffene. Das Unendliche ist ein Zyklus von Anfang und Ende, Stirb und Werde, Geburt, Leben, Tod und Auferstehung. Das Unendliche und Unbegrenzte, das Anfangs- und Endlose ist dem Bewusstsein schwer oder nicht zugänglich. In der Religion ist es das Göttliche, die Ewigkeit, abstrakt Kreis oder Kugel. "Göttlich ist, was weder Anfang noch Ende hat." (Thales von Milet).

Interpretation: Als Ziel und Abschluss eines Anfangs, einer Aufgabe oder einer Entwicklung ist das Ende (z.B. eine Abschluss-Prüfung) ein Höhepunkt, dem man entgegen fiebert, in den man alle Energie setzt. Während der Anfang uns - wie der Morgen und die Geburt - in etwas hinein verwickelt, uns durch seine Frische bezaubert, ist das Ende Bilanz, Finale, Ausklang und Ernte. Energie und Fülle gehen zur Neige. Etwas kann in Würde zu Ende gehen, man kann einen End- oder Schlusspunkt setzen, einen Schlussstrich oder eine Schlussfolgerung ziehen, kann etwas auch einfach über die Bühne bringen oder ad acta legen. Was zu Ende ist, liegt hinter einem, es hat einem Erfahrung vermittelt, ist Erinnerung, das Ende vom Lied. Vom Ende her betrachtet, sieht vieles anders aus als am Anfang. Manchmal kommt, so weiß das Sprichwort, das dicke Ende nach, nimmt etwas ein böses Ende, wird es ein bitteres Ende, sind wir am Ende. Oft sind wir froh, wenn etwas endlich vorbei ist (z. B. die Schulzeit), oder wir wünschen uns sogar "lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" (Psalm 73,19). Menschen mit zwanghafter Persönlichkeitsstruktur versuchen, sich gegen das Ende von Lebensprozessen mit Perfektionismus zu schützen: Sie können z.B. mit einer Examensarbeit nie zu Ende kommen, weil sie noch nicht gut genug ist.

Deswegen soll man am Anfang und während eines Prozesses das Ende und die Konsequenzen mitbedenken (memento mori), aber auch wissen, dass bis zuletzt etwas Offenes bleibt. Und oft heißt es schließlich: "Ende gut, alles gut." Selbst wenn das Ende als definitiv Letztes angenommen oder erfahren wird, als im Augenblick endgültig und feststehend, ganz sicher und unumstößlich erscheint, kann es sich plötzlich ändern, solange noch etwas lebendig ist. Das Endliche, das Begrenzte wird häufig als Weg, als Phase oder Zyklus beschrieben, der zugleich ein Entwicklungs-, Spiral- oder Stufenweg ist und auf ein höheres Ziel, im Individuationsweg das Selbst, ausgerichtet ist. H. Hesse nennt das in seinem Gedicht "Stufen" "Raum um Raum durchschreiten" und sagt: "Kaum sind wir eingewohnt, so droht Erschlaffen; nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen." Alles Vertraute und Bekannte wird gewohnt und dadurch unbewusst, jedes Ziel, jedes Finale, jede Lösung, die wir erreicht haben, lässt Aufmerksamkeit und Spannung abnehmen. Die Entspannung weicht in diesem Prozess allmählich der Langeweile.

In Phasen des Glücks fantasieren wir gerne, dass etwas nicht zu Ende gehen, ewig dauern sollte. Aber wir wissen, dass alles einmal endet; Glück kann einfach dadurch enden, dass es unser gewohnter Normalzustand wird. Deswegen wohnt, so H. Hesse im Stufen-Gedicht, jedem Anfang wieder ein neuer Zauber inne, und deshalb werden wir gesund beim Abschiednehmen ("Herz, nimm Abschied und gesunde"). Ende kann nun Ablösung, Befreiung, Neuanfang heißen.

Das Ende als Trennung und Letztes kann anstatt Wandlung und Neuanfang auch schrecklicher Verlust, Leere, Sinnlosigkeit, Grauen, Untergang, Unheil, Tod, das Ende der Welt oder das Ende aller Dinge sein. Als Endzeit, Weltende und -untergang findet das in mythologischen Bildern und Glaubensvorstellungen, in Kosmologien, Kunst und Philosophien verschiedenste hoffnungsvolle wie auch nihilistische Ausformungen. Wiedergeburtsvorstellungen wie auch Totengerichte und die Vorstellung davon, dass es im Ende oder im Tod auch darum geht, Rechenschaft abzulegen, spielen in der Entwicklung von Ethik und Moral eine zentrale Rolle. Christliche religiöse Sekten predigen das Jüngste Gericht, die biblische Offenbarung spricht von Armageddon. Endzeitszenarien werden in modernen Katastrophenfilmen beschworen: Zur Zeit der atomaren Hochrüstung zeigte "The day after", wie nach einer Explosion von Atombomben das Ende der Welt aussehen würde und 2004 wurde das Thema in "The day after tomorrow" aufgegriffen. Dieses Mal war eine Klimakatastrophe die Ursache für das Ende der Welt.

Die Vorstellung von Ende und Tod kann sich Menschen aufdrängen und zu psychischen Konflikten führen. In Kindheit und Pubertät können Trennungsängste und Angst vor Autonomie und Verantwortung oder der Wunsch danach sich ausdrücken in der Angst oder dem Wunsch, die Eltern könnten sterben. Die Pubertät, das Ende der Kindheit, verknüpft sich mit der Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens und dem, was man selber will. Oft hat das Leben in dieser Zeit wenig Wert, es wird erprobt, wieviel man aushält, man geht an und über die Grenzen. Drogen, Alkohol u. a. Kick-Erlebnisse bringen in Todesnähe und in die Nähe der ambivalenten Sehnsucht nach regressiver Auflösung.

In der sogen. Midlife-crisis, der Lebensmitte, wehren Menschen das Älterwerden als Vorboten des nahenden Endes ab, indem sie in Aktivität und Jugendlichkeit flüchten, alte Bindungen abbrechen. Viele versuchen auch, das Leben wesentlicher zu machen: "Mensch werde wesentlich, denn wenn die Welt vergeht, so fällt der Anschein fort, das Wesen, das besteht." (Angelus Silesius)

In Übergangssituationen und im therapeutischen Prozess ist die Anfangs- oder Initialsituation oft von besonderen Träumen gekennzeichnet und auch die Endphase. Eine 40jährige Frau träumte z. B. einige Wochen vor Therapieende: "Ich komme zur letzten Stunde. An einem riesigen Birnbaum vor der Eingangstüre zum Therapieraum hängen reife Birnen. Ich pflücke eine und beiße hinein. Sie schmeckt wunderbar süß."

Literatur: Standard

Autor: Müller, Anette