Pferd

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Keyword: Pferd

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Definition: Das Pferd (mlat. paraveredus »Postpferd«] ist ein als Reit- und Zugtier gehaltenes hochbeiniges Säugetier mit Hufen, meist glattem, kurzem Fell, länglichem, großem Kopf, einer Mähne und langhaarigem Schwanz.

Information: Das Pferd scheint den Menschen schon lange vor dessen Domestikation fasziniert zu haben, wie frühe künstlerische kultische und sakrale Darstellungen zeigen. Bei den Germanen wurden in heiligen Hainen ("Schimmelhaag") heilige Schimmel ("Mitwisser der Götter") gehalten, deren Weisungen mehr galten als die der Priester und Könige. Keltische Münzen zeigen das Pferd mit einem kaum vorstellbaren Reichtum an symbolischem Gehalt. Noch in christlicher Zeit wurden Kirchen und Klöster an Plätzen errichtet, die Pferd e durch ihr Scharren als heilig zu erkennen gaben. Die Griechen erkannten als einzigem Tier einigen Pferden Unsterblichkeit zu und gaben ihnen Namen, die sie in Rang mythischer Persönlichkeiten erhoben. Irdische Rosse trugen Namen von Heroen und Göttern.

Wie kein anderes Tier beeinflusste das Pferddie politische, kulturelle und Bewußtseinsentwicklung der Menschheit: Als Zug-, Last- und Reittier ermöglichte es dem Menschen eine enorme Ausdehnung seiner räumlichen und zeitlichen Grenzen, die lntensivierung von Land-und Waldwirtschaft, von Straßen- und Städtebau sowie Expansion und Eroberung neuer bzw. fremder Gebiete."Im europäischen Kulturkreis gibt es wohl kein anderes Symbol, das seit magisch-mythischen Zeiten bis in die Gegenwart hinein mit solcher Kontinuität und Stringenz im wahrsten Sinne des Wortes tragfähig geblieben ist." (Baum 119).

Die Stute als weibliches Pferd (altgem."stuot" - Herde) ist ein Symbol des Lebens, gehört daher zum archetypischen Feld der Großen Mutter (Mutter, große) mit Betonung des tragenden, mütterlichen Aspektes und tritt aber in Beziehung zum Geistaspekt: In Arabien werden Stuten "Töchter des Windes" genannt, in frühen Kulturen glaubte man, sie würden vom Wind befruchtet. Als Reittier eines Mannes kann sie auch einen teriomorphen, das männliche Bewusstsein tragenden Animaaspekt darstellen; so kann der Dauphin (Shakespeare, König Heinrich V) sagen: " [...] mein Pferd ist meine Geliebte".

Der Hengst (zeugungsfähiges männliches Pferd, germ."hangista") gilt als feuriger, hitziger, stolzer und stärker als Stuten oder Wallache. In freien Pferdeherden dulden erwachsene Hengste keine Nebenbuhler neben sich bzw. tragen in harten Kämpfen ihre Besitzansprüche auf einen Stutenharem aus. Gleichzeitig schützt der Leithengst seinen Familienverband vor möglichen Gefahren. Da der Dominanztrieb noch stärker als sein Geschlechtstrieb ist, ist der Hengst durch Tänzeln, Wiehern, Augenrollen ständig darauf bedacht, allen Pferden in seiner Umgebung zu imponieren. Aus diesem Grunde ist der Hengst mit den Attributen männlicher Macht und Ehre, männlicher Stärke, Kampfesmut, Erhabenheit und Stolz verbunden.

Interpretation: Als kosmisches Symbol hat das Pferd Ganzheitscharakter - ist daher ein teriomorphes Selbstsymbol; es vereinigt in sich viele polare Aspekte: Leben / Tod; Sonne / Mond; männlich / weiblich; Triebnatur / Geist; Feuer / Wasser; Wildheit / kontrollierte Energie; Freiheit / Unterordnung; dem Göttlichen / dem Teuflischen zugehörig; ängstigend / Heil bringend; hell / dunkel (Schimmel kommen schwarz zur Welt!); Beweger / Bewegtes. Je nach Vorherrschen matriarchaler oder patriarchaler Strukturen stehen lunare oder solare Aspekte im Vordergrund: Im vorpatriarchalen Griechenland waren Pferde der Mondgöttin Selene heilig, deren Mondwagen sie über den Himmel zogen. Später zieht es als Sonnenpferd die Sonne über den Himmel, oder mehrere sind vor den Wagen der Sonnengottheit gespannt (Sol, Helios, Phoebus, Apollon, Mithras). Hier symbolisiert das geflügelte Pferd Licht, Bewusstwerdung, Intellekt, Gedanken. Es sind fast immer Schimmel ("Schimmernde", "Scheinende"), dies als besonders rein und heilig galten; deren Mähne (etymologisch verwandt mit 'Mond') die Strahlen der Sonne darstellten und mit glitzernden Perlen geschmückt waren. Die bei vielen indogermanischen Völkern abgehaltenen Wagenrennen standen mit dem Sonnenkult in Verbindung.

Mit dem Aufstieg des Christentums wird die chtonisch-lunar-triebhafte Seite des Pferdes vollends verdrängt und ereilt den Menschen als ängstigendes Gespensterpferd, aus dem Schattenreich, das seinen Reiter in tollem Lauf entführt; als Nachtmar reitet es den Schläfer (Umkehr der Tagesrealität), quält ihn mit Alpträumen und Wahnsinn. Hexen ritten auf solchen Gespensterpferden, und Frauen, die mit Priestern Unzucht trieben, wurden zu Rossen des Wilden Jägers oder des Teufels. Der Teufel kann selbst Pferdegestalt annehmen und - Symbol der abgespaltenen sexuellen Triebnatur - den Besessenen reiten.

Als Vermittler zwischen zwei Welten - der Toten und der Lebenden - spricht Fallada ("Die Gänsemagd" / Grimm) im Tor hängend seine Botschaft. Hierin zeigt sich die Funktion des Pferdes als Psychopompos, das die Seele von einem Bereich in den anderen geleitet. Daher wurden vielerorts Pferde ihren Besitzern mit ins Grab gegeben. Zu Kennedy's Beerdigungszeremonie wurde seine Reitpferd mitgeführt, seine Reitstiefel in 'verkehrter' Richtung am Sattel befestigt: er reitet in die andere Welt. Aufgrund seiner Bedeutung als Psychopompos hat das Pferd auch eine besondere Beziehung zum Tod; dieser reitet auf der "Schindermähre", um seine Opfer abzuholen; in mittelalterlichen Pestzeiten ritt die Todesgöttin Hei auf einem dreibeinigen Pferd (= un-heile, zerstörerische Form der Libido).

Den reichen, gegensätzlichen Aspekten des Pferdesymbols liegt die Bedeutung als Sinnbild vitaler, kraftvoller, wilder, aber auch eleganter, zähm-, gestalt- und verfeinerbarer Lebensenergie zugrunde, die das Leben des Menschen erweitert, ihn über sich selbst hinauswachsen lässt, wenn er eine angemessene, verständnisvolle Beziehung zu ihr aufnimmt und lernt, sorgfältig, behutsam und zugleich entschieden damit umzugehen.

Literatur: Standard

Autor: Rafalski, Monika